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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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gerichtet war. Am vorhergehenden Abend hatte ich von ihm durch die Stadtpost ein für mich ziemlich rätselhaftes Briefchen erhalten, in welchem er mich dringend bat, gerade heute zwischen eins und zwei zu ihm zu kommen; er könne mir Dinge mitteilen, die mich überraschen würden. Und nun hatte er soeben dort beim Fürsten sich nicht das geringste anmerken lassen, daß er mir einen solchen Brief geschrieben hatte. Was konnte es zwischen Stebelkow und mir für Geheimnisse geben? Ein solcher Gedanke war geradezu lächerlich, aber im Hinblick auf alles Vorhergegangenebefand ich mich jetzt, während ich zu ihm fuhr, sogar in einer gewissen Aufregung. Ich hatte mich allerdings einmal, vor ungefähr vierzehn Tagen, an ihn gewandt und Geld von ihm haben wollen, und er war auch bereit gewesen, mir welches zu geben, aber wir hatten uns damals aus irgendeinem Grund nicht einigen können, und ich hatte selbst auf das Darlehen verzichtet; er hatte damals nach seiner Gewohnheit etwas Unverständliches gemurmelt, und es war mir so vorgekommen, als wolle er mir irgendeinen Vorschlag machen, mir irgendwelche besonderen Bedingungen anbieten, und da ich ihn jedesmal, wenn ich ihn beim Fürsten traf, sehr von oben herab zu behandeln pflegte, so hatte ich jeden Gedanken an besondere Bedingungen stolz abgeschnitten und war weggegangen, obwohl er mir bis zur Haustür nachgelaufen kam. Ich hatte mir damals das Geld vom Fürsten geben lassen.
    Stebelkow lebte ganz für sich allein und war recht wohlhabend: er hatte eine aus vier schönen Zimmern bestehende Wohnung, hübsche Möbel, männliche und weibliche Dienerschaft und eine Haushälterin, die übrigens schon ziemlich bejahrt war. Als ich bei ihm eintrat, war ich sehr zornig.
    »Hören Sie mal, mein Verehrter«, begann ich schon in der Tür, »was soll erstens einmal dieser Brief bedeuten? Ich wünsche keine Korrespondenz zwischen mir und Ihnen. Und warum haben Sie mir nicht einfach vorhin beim Fürsten gesagt, was Sie von mir wünschen: ich stand doch zu Ihren Diensten?«
    »Aber warum haben Sie denn vorhin ebenfalls geschwiegen und mich nicht gefragt?« versetzte er, den Mund zu einem äußerst selbstzufriedenen Lächeln auseinanderziehend.
    »Weil nicht ich an Sie ein Anliegen habe, sondern Sie an mich«, rief ich, plötzlich hitzig werdend.
    »Aber warum sind Sie denn zu mir gekommen, wenn es so steht?« antwortete er und sprang von seinem Platz ordentlich ein bißchen in die Höhe vor Vergnügen. Ich drehte mich sofort um und wollte hinausgehen, aber er faßte mich an der Schulter.
    »Nein, nein, ich habe nur Spaß gemacht. Es ist eine wichtige Sache. Sie werden selbst sehen.«
    Ich setzte mich. Ich muß gestehen, ich war neugierig. Wir saßen an der Vorderkante eines großen Schreibtisches einander gegenüber. Er lächelte schlau und machte Miene, den Finger in die Höhe zu heben.
    »Bitte, lassen Sie all Ihre schlauen Mätzchen und das Fingeraufheben und namentlich all Ihre geheimnisvollen Andeutungen beiseite, und kommen Sie ohne weiteres zur Sache, sonst gehe ich sofort weg!« rief ich wieder im Zorn.
    »Sie ... sind stolz!« sagte er, und es klang wie ein dummer Vorwurf; er beugte sich in seinem Lehnstuhl nach vorn zu mir hin und zog alle Runzeln auf seiner Stirn nach oben.
    »Das muß man ihnen gegenüber auch sein.«
    »Sie ... haben sich heute von dem Fürsten Geld geben lassen, dreihundert Rubel; ich habe auch Geld, und mein Geld ist besser.«
    »Woher wissen Sie das, daß ich mir von ihm etwas habe geben lassen?« fragte ich höchst verwundert. »Hat er Ihnen denn selbst davon gesagt?«
    »Ja, er hat mir davon gesagt; regen Sie sich nicht auf; es kam nur so zufällig im Lauf des Gespräches die Rede darauf, nur ganz zufällig, nicht absichtlich. Er sagte es mir. Aber Sie hätten es nicht von ihm zu nehmen brauchen. Nicht wahr?«
    »Aber Sie, Sie schinden ja, wie ich gehört habe, unmenschliche Prozente heraus.«
    »Ich habe einen Mont de piété, aber ich schinde niemanden. Ich halte ihn nur für meine Freunde, anderen Leuten gebe ich nichts. Anderen bleibt mein Mont de piété ...«
    Dieser sein Mont de piété war eine ganz gewöhnliche Pfandleihe, die unter fremdem Namen in einer anderen Wohnung untergebracht war und vorzüglich prosperierte.
    »Aber meinen Freunden gebe ich große Summen.«
    »Na, ist denn etwa der Fürst ein solcher Freund von Ihnen?«
    »Al-ler-dings; aber ... er führt häßliche Reden. Daß er solche Reden führt, werde ich mir nicht gefallen

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