Der Jüngling
Worten legte er mit entschlossener, gewichtiger Miene den Oberkörper gegen die Stuhllehne zurück und sah mich mit weitgeöffneten Augen an. Ich erwiderte diesen Blick ebenso.
»Sie tragen Anzüge aus der Großen Millionnaja-Straße: dazu braucht man Geld, viel Geld; ich habe besseres Geld als er. Ich werde Ihnen mehr als zweitausend Rubel geben ...«
»Aber wofür? Wofür, zum Teufel?«
Ich stampfte mit dem Fuß. Er beugte sich zu mir hin und sagte mit besonderem Nachdruck:
»Dafür, daß Sie sich nicht in den Weg stellen.«
»Ich mische mich ja sowieso nicht ein«, rief ich.
»Ich weiß, daß Sie schweigen; das ist gut.«
»Es liegt mir nichts an Ihrer Zustimmung. Ich wünsche selbst lebhaft, daß diese Verbindung zustande kommt, aber ich bin der Ansicht, daß das nicht meine Sache ist und daß eine Einmischung meinerseits geradezu unpassend sein würde.«
»Sehen Sie wohl, sehen Sie wohl, unpassend!« sagte er und hob den Finger in die Höhe.
»Was soll das heißen: ›Sehen Sie wohl‹?«
»Unpassend ... Hehe!« Er fing auf einmal an zu lachen. »Ich verstehe, ich verstehe, daß es für Sie unpassend sein würde, aber ... Sie werden sich also nicht in den Weg stellen?« fragte er, mit den Augen zwinkernd. Aber in diesem Zwinkern lag etwas überaus Freches, Höhnisches, Gemeines! Offenbar setzte er bei mir eine gemeine Gesinnung voraus und rechnete mit dieser gemeinen Gesinnung ... Das war klar, aber ich begriff absolut nicht, um was es sich handelte.
»Anna Andrejewna ist doch ebenfalls Ihre Schwester«, sagte er nachdrücklich.
»Erdreisten Sie sich nicht, darüber zu sprechen! Und überhaupt nicht über Anna Andrejewna!«
»Lassen Sie doch den Stolz beiseite, nur noch eine kleine Minute! Hören Sie mal: er wird Geld bekommen und alle versorgen«, sagte Stebelkow mit besonderer Betonung, »alle, alle ; Sie folgen?«
»Also glauben Sie, ich würde von ihm Geld annehmen?«
»Sie nehmen doch jetzt welches von ihm an?«
»Ich nehme mein eigenes Geld!«
»Wieso Ihr eigenes?«
»Dieses Geld gehört Wersilow: er schuldet Wersilow zwanzigtausend Rubel.«
»Also schuldet er sie doch nur Wersilow und nicht Ihnen.«
»Wersilow ist mein Vater.«
»Nicht doch, Sie sind ein Dolgorukij, kein Wersilow.«
»Das ist ganz egal!« Ich brachte es damals wirklich fertig, so zu argumentieren! Ich wußte, daß das nicht ganz egal war, ich war nicht so dumm, aber doch argumentierte ich damals so, wieder aus »Zartgefühl«.
»Genug davon!« rief ich. »Ich verstehe von Ihrem Gerede absolut nichts. Wie konnten Sie nur so dreist sein, mich wegen solcher Possen herzurufen?«
»Verstehen Sie denn wirklich nicht? Stellen Sie sich nur absichtlich so oder nicht?« sagte Stebelkow langsam, wobei er mich durchdringend und mit einem mißtrauischen Lächeln ansah.
»Ich schwöre Ihnen, daß ich es nicht verstehe!«
»Ich sage: er kann dann alle versorgen, alle ; nur stellen Sie sich nicht in den Weg, und reden Sie nicht dagegen ...«
»Sie haben wohl den Verstand verloren! Was wollen Sie fortwährend mit diesem ›alle‹? Wird er Wersilow versorgen, was?«
»Sie sind doch nicht allein da, und auch Wersilow nicht ... es gibt auch noch andere Menschen. Und Anna Andrejewna ist ebensogut Ihre Schwester wie Lisaweta Makarowna! «
Ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Auf einmal zeigte sich in seinem widerwärtigen Blick sogar ein flüchtiger Ausdruck von Mitleid mit mir:
»Sie verstehen nicht, um so besser! Das ist gut, sehr gut, daß Sie nicht verstehen. Das ist löblich ... wenn Sie wirklich nicht verstehen.«
Ich geriet vollständig in Wut.
»Scheren Sie sich zum Teufel mit Ihren Narrheiten, Sie verrückter Mensch!« schrie ich und griff nach meinem Hut.
»Das sind keine Narrheiten! Also soll es so sein? Aber wissen Sie, Sie werden wiederkommen.«
»Nein!« erwiderte ich schroff von der Schwelle aus.
»Sie werden wiederkommen, und dann ... dann werden wir ein anderes Gespräch miteinander führen. Das wird das Hauptgespräch sein. Zweitausend Rubel, vergessen Sie es nicht!«
II
Er hatte einen so widerwärtigen, verwirrenden Eindruck auf mich gemacht, daß ich beim Hinaustreten auf die Straße mir sogar Mühe gab, nicht weiter daran zu denken, und nur ausspuckte. Von dem Gedanken, daß der Fürst mit ihm über mich und dieses Geld hatte sprechen können, fühlte ich einen Stich wie von einer Nadel. ›Ich werde gewinnen und ihm alles gleich heute zurückgeben‹, nahm ich mir mit aller Bestimmtheit
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