Der Jüngling
auf der Straße. Er sagte, er werde mich besuchen. Ich war damals schon auf dem Gymnasium und wohnte bei Nikolai Semjonowitsch. Er kam eines Vormittags zu mir, zeigte mir fünfhundert Rubel und forderte mich auf, mit ihm zu kommen. Obgleich er mich vor zwei Jahren geprügelt hatte, hatte er mich doch immer nötig gehabt, nicht allein wegen der Stiefel; er brauchte jemand, um sich auszusprechen. Er sagte mir, er habe heute seiner Mutter aus der Schatulle mittels eines Nachschlüssels Geld weggenommen, denn das Geld, das sein Vater hinterlassen habe, gehöre nach dem Gesetz alles ihm, und sie dürfe es ihm nicht vorenthalten, und gestern sei der Abbé Rigaud zu ihm gekommen, um ihn zu ermahnen; er sei hereingekommen, habe sich vor ihn hingestellt, zu schluchzen angefangen, sehr entsetzt getan und die Arme zum Himmel erhoben. »Aber ich zog ein Messer aus der Tasche und sagte, ich würde ihn abstechen.« Wir fuhren nach dem Kusnezkij Most. Unterwegs teilte er mir mit, daß seine Mutter mit dem Abbé Rigaud ein Verhältnis habe, und er habe das gemerkt, und ihm sei alles schnuppe, und alles, was von der Kommunion gesagt werde, sei dummes Zeug. Er redete noch vieles andere, und mir wurde angst und bange. Auf dem Kusnezkij Most kaufte er eine doppelläufige Flinte, eine Jagdtasche, fertige Patronen, eine Reitpeitsche und dann noch ein Pfund Konfekt. Wir fuhren vor die Stadt, um zu schießen, und begegneten unterwegs einem Vogelhändlermit Käfigen; Lambert kaufte ihm einen Kanarienvogel ab. In einem Wäldchen ließ er den Kanarienvogel heraus, da dieser nach der langen Gefangenschaft im Bauer ja doch nicht weit wegfliegen konnte, und fing an, nach ihm zu schießen, traf ihn aber nicht. Er schoß zum erstenmal in seinem Leben; eine Flinte aber hatte er sich schon längst kaufen wollen, schon als er noch bei Touchard war, und wir hatten von der Flinte schon lange zusammen geträumt. Vor Aufregung war er ganz benommen. Er hatte pechschwarzes Haar, ein weiß-rotes Gesicht wie eine Maske, eine lange Hakennase wie die Franzosen, weiße Zähne und schwarze Augen. Er band den Kanarienvogel mit einem Faden an einen Zweig und gab aus nächster Nähe, aus einer Entfernung von zwei Zoll, aus beiden Läufen zwei Schüsse auf ihn ab, und das Tierchen zerstob in hundert Federchen. Dann kehrten wir zurück, fuhren nach einem Gasthaus, ließen uns ein Zimmer geben und fingen an zu essen und Champagner zu trinken; da kam eine Dame... Ich erinnere mich, daß mir ihre luxuriöse Toilette sehr imponierte: sie trug ein grünseidenes Kleid. Da sah ich denn nun das alles... wovon ich Ihnen schon gesagt habe... Darauf, als wir wieder zu trinken angefangen hatten, begann er, sie zu hänseln und zu schimpfen; sie saß ohne ihr Kleid da, er hatte es ihr weggenommen, und als sie anfing zu schimpfen und ihr Kleid zu verlangen, um sich anzuziehen, begann er sie aus Leibeskräften mit der Peitsche über die nackten Schultern zu schlagen. Ich stand auf und packte ihn an den Haaren, und zwar so geschickt, daß ich ihn mit einem Ruck auf den Fußboden warf. Er ergriff eine Gabel und stach mich damit in den Schenkel. Da kamen auf das Geschrei Leute ins Zimmer gestürzt, und es gelang mir, zu entwischen. Seitdem ist es mir eklig, an ein nacktes Weib zu denken; und dabei ist sie wirklich schön gewesen, das können Sie glauben.«
Während meiner Erzählung hatte sich der Gesichtsausdruck des Fürsten aus einem heiteren in einen tieftraurigen verwandelt.
»Mon pauvre enfant! Ich bin immer davon überzeugt gewesen, daß es in deiner Kindheit sehr viel unglückliche Tage gegeben hat.«
»Bitte, beunruhigen Sie sich darüber nicht!«
»Aber du bist allein gewesen, das hast du mir selbst gesagt, und wenn du auch diesen Lambert hattest; du hast das so ergreifend geschildert: dieser Kanarienvogel, diese Konfirmation mit Tränen an der Brust, und dann, ein, zwei Jahre danach, er über das Verhältnis seiner Mutter mit dem Abbé... Oh, mon cher, diese Frage der Kindererziehung ist in unserer Zeit geradezu furchtbar: solange diese Goldköpfchen mit ihren Locken und ihrer Unschuld in der ersten Kindheit vor einem umherhüpfen und einen mit ihrem hellen Lachen und ihren hellen Äuglein ansehen, da sind sie ganz wie Engel Gottes oder wie reizende Vögelchen; aber später... aber später kommt es vor, daß es das beste wäre, sie wären überhaupt nicht groß geworden!«
»Was haben Sie für eine schwächliche Denkungsart, Fürst! Und Sie reden, als ob Sie selbst
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