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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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alles.
    Man wird sagen, es sei dumm, so zu leben: warum solle man sich nicht einen Palast anschaffen, ein offenes Haus haben, Gesellschaft um sich versammeln, Einfluß ausüben, sich verheiraten? Aber was würde dann der Rothschild für ein Mensch werden? Er würde ein ebensolcher Mensch werden wie alle. Der ganze Reiz der »Idee«, ihre ganze sittliche Kraft würde verschwinden. Ich habe schon als Kind den Monolog des »Geizigen Ritters« bei Puschkin auswendig gelernt; etwas Höheres als dies, was die Idee anlangt, hat Puschkin nicht geschaffen! Dieselben Anschauungen habe ich heute noch.
    »Aber dein Ideal ist gar zu niedrig«, wird man zu mir sagen. »Geld, Reichtum! Das Richtige ist doch Förderungdes Gemeinwohls, sind Handlungen der Menschenliebe.«
    Aber woher weiß denn jemand, wie ich meinen Reichtum gebrauchen würde? Inwiefern ist es denn unmoralisch und niedrig, daß diese Millionen aus einer Menge von schlechten, schmutzigen Judenhänden in die Hände eines nüchternen, charakterfesten Asketen zusammenströmen, der die Welt mit scharfem Blick ansieht? Überhaupt klingen alle diese Zukunftsträume, alle diese Prophezeiungen jetzt noch sehr romanhaft, und es ist vielleicht zwecklos, wenn ich sie niederschreibe; sie wären wohl besser in meinem Kopf geblieben; ich weiß auch, daß diese Zeilen vielleicht von niemand werden gelesen werden; aber wenn sie jemand lesen sollte, wird er mir dann wohl glauben, daß ich den Rothschildschen Millionen vielleicht wirklich nicht gewachsen sein werde? Nicht etwa, weil sie mich erdrücken würden, sondern in ganz anderem, entgegengesetztem Sinne. In meinen Zukunftsträumen habe ich schon mehrmals jenen künftigen Moment ins Auge gefaßt, wo mein Machtbewußtsein vollauf befriedigt sein, die Macht aber mir als etwas Geringwertiges erscheinen wird. Dann werde ich, nicht aus Langeweile oder zielloser Verdrossenheit, sondern weil mein uferloses Streben auf noch Größeres abzielen wird, meine Millionen den Menschen hingeben; mag die Gesellschaft meinen ganzen Reichtum unter sich verteilen, ich aber, ich werde wieder in der untersten Schicht verschwinden! Vielleicht verwandle ich mich sogar in jenen Bettler, der auf dem Dampfer starb, nur mit dem Unterschied, daß man in meinen Lumpen nichts eingenäht finden wird. Allein das Bewußtsein, daß sich Millionen in meinen Händen befunden haben und ich sie wie eine Hekatombe Gold in den Schmutz geworfen habe, wird mich dann in meiner Vereinsamung nähren. Ich neige auch jetzt noch dazu, so zu denken. Ja, meine »Idee« ist eine Festung, in der ich mich immer und unter allen Umständen vor allen Menschen verbergen kann, und sei es in Gestalt des Bettlers, der auf dem Dampfer starb. Das ist meine Dichtung! Und wisset, daß ich meine lasterhafte Machtfülle ganz brauche, nur um mir selbst zu beweisen, daß ich imstande bin, auf sie zu verzichten.
    Ohne Zweifel wird man einwenden, das sei poetische Verstiegenheit und ich würde die Millionen, wenn ich einmal in ihren Besitz gelangt wäre, nie aus der Hand lassen und mich nicht in den Bettler von Saratow verwandeln. Vielleicht werde ich sie wirklich nicht aus der Hand lassen; ich habe nur die Idealgestalt meines Gedankens gezeichnet. Aber ich füge im vollen Ernst hinzu: wenn ich bei der Ansammlung von Reichtümern bis zu der Ziffer des Rothschildschen Vermögens gelangt sein sollte, dann könnte die Sache tatsächlich damit enden, daß ich mein Geld der Gesellschaft hingäbe. (Vor Erreichung der Rothschildschen Ziffer würde es allerdings schwer sein, das auszuführen.) Und ich würde nicht etwa die Hälfte hingeben, denn das wäre eine unwürdige Handlungsweise: ich würde dann lediglich um die Hälfte ärmer sein, weiter nichts; sondern ich würde schlechthin alles hingeben, alles bis auf die letzte Kopeke, denn dadurch, daß ich ein Bettler würde, würde ich plötzlich noch einmal so reich sein wie Rothschild! Wenn die Menschen das nicht verstehen, dann kann ich nichts dafür; eine Erläuterung werde ich nicht geben.
    »Das ist Fakirtum, poetische Phantasie eines unbedeutenden, kraftlosen Menschen«, werden die Leute urteilen, »der Triumph der Talentlosigkeit und Mittelmäßigkeit.« Ja, ich gebe zu, daß es zum Teil der Triumph der Talentlosigkeit und Mittelmäßigkeit ist, aber wohl kaum der der Kraftlosigkeit. Es machte mir besonderes Vergnügen, mir gerade ein talentloses, mittelmäßiges Individuum vorzustellen, das der ganzen Welt gegenüberträte und lächelnd zu ihr

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