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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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meiner Hirnschale vorging. Dies ist der Grund, weshalb ich das heimliche Wesen so liebgewann. Ja, ich arbeitete mit aller Kraft an meinen Luftschlössern, dergestalt, daß ich zu Gesprächen mit anderen Menschen gar keine Zeit hatte; man folgerte daraus, daß ich menschenscheu sei, und zog aus meiner Zerstreutheit noch häßlichere Schlüsse zu meinen Ungunsten, aber meine roten Wangen bewiesen das Gegenteil.
    Besonders glücklich fühlte ich mich, wenn ich mich ins Bett gelegt, die Decke über den Kopf gezogen hatte und nun ganz allein, in vollster Einsamkeit, ohne daß Menschen um mich herum gewesen wären oder ich auch nur einen Laut von ihnen gehört hätte, anfing, mein Leben in Gedanken umzugestalten. Solchen Träumereien gab ich mich mit brennendem Eifer hin, bis ich meine »Idee« fand, worauf dann alle meine bis dahin törichten Phantasien auf einmal verständig wurden und aus der Form des erdichtetenRomans in die Form vernunftmäßiger Wirklichkeit übergingen.
    Alles floß zusammen und nahm die Richtung auf ein Ziel hin. Meine Phantasien waren übrigens auch vorher nicht gar so töricht gewesen, trotz ihrer unzählbaren Menge. Aber ich hatte unter ihnen meine besonderen Lieblinge gehabt ... Indessen kann ich sie hier nicht vorführen.
    Macht! Ich bin überzeugt, daß es sehr vielen Menschen sehr lächerlich vorkommen würde, wenn sie erführen, daß ein solches »Subjekt« wie ich nach Macht trachtet. Aber ich will sie in noch größeres Erstaunen versetzen: vielleicht schon von meinen ersten Träumereien an, das heißt fast seit meiner frühesten Kindheit, habe ich mich nie anders denken können als auf dem ersten Platz, immer und auf allen Gebieten des Lebens. Ich füge noch ein sonderbares Geständnis hinzu: vielleicht dauert das noch bis auf den heutigen Tag. Ich bemerke dabei, daß ich deswegen nicht um Verzeihung bitte.
    Und darin besteht eben meine »Idee«, darin liegt ihre Kraft, daß Geld der einzige Weg ist, der sogar ein unbedeutendes Subjekt auf den ersten Platz führt. Ich bin vielleicht gar nicht einmal ein unbedeutendes Subjekt, aber ich weiß zum Beispiel aus dem Spiegel, daß mein Äußeres mir schadet, da ich ein ganz ordinäres Gesicht habe. Aber wenn ich erst so reich sein werde wie Rothschild, wer wird dann an meinem Gesicht etwas auszusetzen haben, und werden dann nicht Tausende von Frauen, sobald ich nur pfeife, mit ihrer Schönheit Hals über Kopf zu mir gelaufen kommen? Ich bin sogar überzeugt, daß sie selbst schließlich ganz aufrichtig mich für einen schönen Mann halten werden. Ich bin vielleicht klug. Wenn sich jedoch in der Gesellschaft jemand findet, der sehr klug ist, dann bin ich erledigt. Aber wenn ich ein Rothschild bin, kann dann dieser kluge Mann gegen mich aufkommen? Es wird ihm neben mir nicht einmal vergönnt werden, den Mund auf zu tun! Ich bin vielleicht geistreich; rivalisiert jedoch ein Talleyrand, ein Piron mit mir, so bin ich in den Schatten gestellt; aber wenn ich ein Rothschild bin, wo bleibt da ein Piron und vielleicht sogar ein Talleyrand? Das Geld ist sicherlich eine despotische Macht, aber zugleich ist es der größte Gleichmacher, unddarin liegt seine Hauptstärke. Das Geld macht alle Ungleichheiten gleich. All das ist mir schon in Moskau klargeworden.
    Man wird in diesem Gedanken natürlich nur eine Unverschämtheit sehen, den Wunsch, andere zu vergewaltigen, das Streben eines unbedeutenden Subjektes, über talentvolle Mitmenschen zu triumphieren. Ich gebe zu, daß dieser Gedanke dreist ist (ebendeshalb ist er so wonnevoll). Aber mag er es sein, mag er es sein: meint jemand, ich hätte mir damals Macht gewünscht, um andere Menschen zu erdrücken und mich so zu rächen? Das ist es ja eben, daß ein ordinärer Mensch unbedingt so handeln würde. Ja noch mehr: ich bin überzeugt, daß Tausende von talentvollen, hochstehenden Männern, wenn ihnen auf einmal Rothschilds Millionen zufielen, die Selbstbeherrschung verlieren, sich wie die gemeinste, gewöhnlichste Sorte betragen und ihre Mitmenschen in der ärgsten Weise bedrücken würden. Meine Idee ist von anderer Art. Ich bin vor dem Geld nicht bange; es wird mich nicht bedrücken und mich nicht veranlassen, andere zu bedrücken.
    Ich brauche das Geld nicht, oder, richtiger gesagt, ich brauche nicht das Geld und nicht einmal die Macht, sondern nur das, was man durch die Macht erlangt und was man ohne Macht auf keine Weise erlangen kann: das ist ein einsames, ruhiges Kraftbewußtsein! Das ist die

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