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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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erschöpfendste Definition der Freiheit, diese Definition, mit der sich die Welt so herumschlägt! Freiheit! Endlich habe ich dieses große Wort hingeschrieben ... Ja, das einsame Kraftbewußtsein ist etwas Verlockendes und Schönes. Ich besitze Kraft, und ich bin ruhig. Jupiter hat den Donnerkeil in der Hand, und was tut er: er ist ruhig; hört man ihn etwa häufig donnern? Ein Dummkopf könnte glauben, er schlafe. Aber man setze irgendeinen Literaten oder ein dummes Bauernweib an Jupiters Stelle – und das Gedonner würde nicht abreißen!
    Wenn ich erst die Macht habe, so überlegte ich, dann werde ich gar nicht das Bedürfnis haben, mich ihrer zu bedienen; ich versichere, daß ich selbst, aus eigenem, freiem Willen, überall den letzten Platz einnehmen werde. Wenn ich ein Rothschild wäre, so würde ich mit einem schlechten,alten Überzieher und mit einem Regenschirm gehen. Was mache ich mir daraus, daß ich auf der Straße gestoßen werde, daß ich genötigt bin, eilig durch den Schmutz zu springen, damit mich die Droschken nicht überfahren? Das Bewußtsein, daß ich es bin, Rothschild selbst, würde mich in diesem Augenblick sogar heiter stimmen. Ich weiß, daß ich vielleicht ein so feines Diner wie kein anderer und den besten Koch von der Welt haben kann, und es genügt mir, daß ich es weiß. Ich werde ein Stück Brot mit Schinken essen und schon durch das Bewußtsein satt sein. Ich denke sogar heute noch so.
    Ich werde mich nicht an die Aristokratie herandrängen, sondern sie sich an mich, ich werde nicht auf die Weiber Jagd machen, sondern sie werden von selbst angelaufen kommen und mir alles anbieten, was eine Frau anbieten kann. Die »gemeinen« Weiber werden des Geldes wegen kommen, und die klugen wird die Neugier zu dem sonderbaren, stolzen, verschlossenen, gegen alles gleichgültigen Wesen hinziehen. Ich werde zu den einen wie zu den andern freundlich sein und ihnen vielleicht Geld geben, selbst aber von ihnen nichts annehmen. Neugier erzeugt Leidenschaft, und so werde auch ich ihnen vielleicht Leidenschaft einflößen. Aber ich versichere: sie werden, ohne etwas erreicht zu haben, wieder weggehen, höchstens mit Geschenken. Dadurch werde ich für sie doppelt interessant werden.
    ... Genug schon ist mir Solches Wissen.
    Merkwürdig, daß ich mich in dieses Bild (das übrigens zutreffend ist) schon als Siebzehnjähriger verliebt habe.
    Quälen und erdrücken will und werde ich niemand; aber ich weiß, daß, wenn ich irgend jemand, einen Feind von mir, zugrunde richten wollte, niemand mir dabei hinderlich sein, sondern vielmehr alle mir behilflich sein würden, und dieses Bewußtsein würde mir wieder genügen. Ich würde mich nicht einmal an jemand rächen. Ich habe mich immer darüber gewundert, wie James Rothschild hat einwilligen können, Baron zu werden! Warum, wozu, da er doch auch ohnedies alle Menschen auf der Welt überragte? ›Mag mich doch jener unverschämte General auf der Poststation beleidigen,wo wir beide auf frische Pferde warten; wenn er wüßte, wer ich bin, würde er selbst hinlaufen, um sie mir anzuspannen, und würde eifrig hinzuspringen, um mir beim Einsteigen in meinen bescheidenen Reisewagen behilflich zu sein! In der Zeitung hat einmal gestanden, daß ein ausländischer Graf oder Baron in einem von Wien abgehenden Eisenbahnzug einem dortigen Bankier vor den Augen der Mitreisenden die Pantoffeln angezogen hat; und dieser ist ordinär genug gewesen, das zuzulassen. Oh, mag diese junge Dame, deren Schönheit geradezu Schrecken einflößt (jawohl: Schrecken, es gibt solche Schönheit), diese Tochter einer hochmütigen, vornehmen Aristokratin, mag sie, wenn sie zufällig auf einem Dampfschiff oder sonstwo mit mir zusammentrifft, mich von der Seite ansehen und, die Nase rümpfend, sich geringschätzig darüber wundern, wie dieser bescheidene, häßliche Mensch, mit einem Buch oder einer Zeitung in der Hand, hat so dreist sein können, sich in die erste Klasse einzudrängen und sich neben sie zu setzen. Aber wenn sie wüßte, wer neben ihr sitzt! Und sie wird es erfahren – sie wird es erfahren und sich aus freien Stücken neben mich setzen, demütig, schüchtern und freundlich; sie wird meinen Blick suchen und sich über mein Lächeln freuen ...‹ Ich setze diese aus der frühesten Zeit stammenden kleinen Bilder absichtlich hierher, um den Gedanken klarer zum Ausdruck zu bringen; aber diese kleinen Bilder sind blaß und vielleicht trivial. Nur die Wirklichkeit rechtfertigt

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