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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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schon liebgewonnen, das kannst du glauben ... Indessen, wie du willst ...«
    Die Sache war ihm augenscheinlich unangenehm.
    »Sie sagen, ich sollte ihn nicht um Geld bitten, aber Ihnen habe ich es zu verdanken, daß ich heute bereits eine Gemeinheit begangen habe: Sie haben mir vorher nicht abgeraten, und so habe ich heute von ihm das Gehalt für einen Monat gefordert.«
    »Also hast du die Angelegenheit bereits geordnet; ich hatte, wie ich gestehen muß, gemeint, du würdest nicht darum bitten; was seid ihr doch alle jetzt für geschickte Leute! Es gibt heutzutage keine Jugend mehr, Tatjana Pawlowna.«
    Er ärgerte sich sehr; ich war ebenfalls furchtbar zornig.
    »Ich mußte doch meine Rechnung mit Ihnen begleichen ... Sie haben mich dazu gezwungen – ich weiß jetzt nicht, was ich anfangen soll.«
    »Übrigens, Sofja, gib doch gleich Arkadij seine sechzig Rubel zurück; und du, mein Freund, nimm es mir nicht übel, daß ich mich mit der Rückzahlung so beeile. Ich sehe es dir am Gesicht an, daß du irgendein Unternehmen planst und dazu ... ein Anlagekapital oder etwas Ähnliches nötig hast.«
    »Ich weiß nicht, was mein Gesicht ausdrückt, aber ich hätte nie von Mama erwartet, daß sie Ihnen etwas von diesem Geld sagen würde, da ich sie doch ausdrücklich um Verschwiegenheit gebeten hatte«, erwiderte ich und sah meine Mutter mit funkelnden Augen an. Ich kann gar nicht sagen, wie tief ich mich gekränkt fühlte.
    »Arkascha, mein Täubchen, um Gottes willen verzeih mir; ich konnte nicht anders als es sagen ...«
    »Mein Freund«, sagte er, zu mir gewendet, »beschwere dich nicht darüber, daß sie mir deine Geheimnisse entdeckt hat; zudem hat sie nur in der besten Absicht gehandelt: sie wollte als Mutter einfach mit der kindlichen Liebe des Sohnes prahlen. Aber sei überzeugt, ich hätte auch ohne das erraten, daß du ein Kapitalist bist. Alle deine Geheimnisse stehen auf deinem ehrlichen Gesicht geschrieben. Er hat ›eine eigene Idee‹, Tatjana Pawlowna, das habe ich Ihnen schon gesagt.«
    »Lassen wir mein ehrliches Gesicht beiseite«, fuhr ich zornig fort, »ich weiß, daß Sie einen manchmal ganz durchschauen können, obgleich Sie bei anderen Gelegenheiten manchmal nicht über Ihre eigene Nase hinaussehen, und bin über Ihren Scharfblick oft erstaunt gewesen. Nun ja, ich habe eine ›eigene Idee‹. Daß Sie sich gerade dieses Ausdrucks bedient haben, ist natürlich nur Zufall, aber ich scheue mich nicht zu bekennen: ich habe eine ›Idee‹. Ich scheue mich nicht und schäme mich nicht.«
    »Das ist die Hauptsache: schäme dich dessen nicht!«
    »Aber trotzdem werde ich sie Ihnen nie entdecken.«
    »Das heißt, du hältst mich einer solchen Mitteilung nicht für würdig. Du brauchst mir gar nichts zu sagen, mein Freund; ich kenne den Kern deiner Idee auch so schon, jedenfalls läuft es darauf hinaus:
    ›Ich ziehe in die Wüste mich zurück.‹
    Tatjana Pawlowna, meiner Ansicht nach will er ein Rothschild oder so etwas Ähnliches werden und sich in seine einsame Größe zurückziehen. Selbstverständlich wird er Ihnen und mir großmütig eine Pension aussetzen, mir allerdings vielleicht auch nicht; aber auf jeden Fäll werden wir ihn bald nicht mehr zu sehen bekommen. Es ist mit ihm wie mit dem Neumond – kaum hat er sich gezeigt, so geht er auch schon wieder unter.«
    Ich zuckte innerlich zusammen. Freilich war das alles nur ein Zufall: er wußte nichts und hatte nicht das Richtige getroffen, obwohl er gerade den Namen Rothschild erwähnt hatte; aber wie hatte er es fertiggebracht, meine Gefühle so genau anzugeben: daß ich mit ihnen brechen und von ihnen fortgehen wollte? Er hatte alles im voraus erraten und wollte nun den tragischen Ernst der Sache im voraus mit seinen zynischen Scherzen besudeln. Daß er sich furchtbar ärgerte, daran war nicht im geringsten zu zweifeln.
    »Mama, verzeihen Sie meine Heftigkeit, um so mehr, als man vor Andrej Petrowitsch ja ohnehin nichts verborgen halten kann«, sagte ich, indem ich ein gekünsteltes Gelächter anschlug und mich bemühte, wenigstens für einen Augenblick alles als Scherz darzustellen.
    »Das beste, mein Lieber, ist, daß du gelacht hast. Es ist kaum zu glauben, wie sehr dadurch jeder Mensch gewinnt, sogar in seinem Äußeren. Ich rede im vollsten Ernst. Er macht immer so ein Gesicht, Tatjana Pawlowna, als hätte er etwas so Wichtiges im Sinn, daß er sogar selbst dadurch ganz beschämt ist.«
    »Ich möchte Sie ernstlich bitten, etwas

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