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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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deklamieren, und ich sagte Ihnen ›Das wählerische Mädchen‹ auf:
     
    ›Ein Mädchen wünschte sich 'nen Mann.‹«
     
    »Ganz richtig, ganz richtig, ja, jetzt erinnere ich mich an alles«, rief Wersilow wieder, »aber, mein Freund, auch an dich erinnere ich mich deutlich: du warst damals ein so netter Junge, sogar ein gewandter Junge, und ich versichere dir, du hast in diesen neun Jahren ebenfalls viel verloren.«
    Nun begannen alle zu lachen, auch Tatjana Pawlowna selbst. Es war klar, daß Andrej Petrowitsch ein Späßchen machen und mir für meine boshafte Bemerkung über sein Altern mit gleicher Münze zahlen wollte. Alle wurden vergnügt, und es war ja auch von ihm sehr hübsch gesagt.
    »Je weiter ich aufsagte, um so mehr lächelten Sie, aber ich war noch nicht bis zur Mitte gekommen, als Sie mich innehalten ließen, klingelten und dem eintretenden Diener befahlen, Tatjana Pawlowna herzubitten, die denn auch sogleich mit so vergnügtem Gesicht angelaufen kam, daß ich, der ich sie tags zuvor gesehen hatte, sie nun kaum wiedererkannte. In Tatjana Pawlownas Gegenwart fing ich ›Das wählerische Mädchen‹ noch einmal von vorn an und führte die Deklamation glänzend zu Ende; selbst Tatjana Pawlowna lächelte, und Sie, Andrej Petrowitsch, riefen sogar ›Bravo!‹ und bemerkten mit warmer Anerkennung, wenn ich ›Die Libelle und die Ameise‹ aufgesagt hätte, so wäre es noch nicht so erstaunlich gewesen, daß ein gescheiter Knabe in meinem Alter gescheit deklamiere; aber eine ganz andere Leistung sei doch die Fabel:
     
    ›Ein Mädchen wünschte sich 'nen Mann,
    Was man nicht weiter tadeln kann.‹
     
    ›Hören Sie nur‹, sagten Sie, ›wie er das herausbringt: »Was man nicht weiter tadeln kann!«?‹ Kurz, Sie waren entzückt. Dann fingen Sie auf einmal an, mit Tatjana Pawlowna französisch zu sprechen; sie machte sofort ein finsteres Gesicht und widersprach Ihnen, sie wurde dabei sogar sehr erregt; aber da es unmöglich ist, Andrej Petrowitsch zu widersprechen, wenn er sich plötzlich etwas in den Kopf gesetzt hat, so führte Tatjana Pawlowna mich eilig nach ihrem Zimmer; dort wurden mir noch einmal Gesicht und Hände gewaschen, ich bekam frische Wäsche an, wurde pomadisiert, ja, es wurden mir sogar Locken gebrannt. Dann zog sich zum Abend Tatjana Pawlowna selbst recht elegant an, so wie ich es von ihr gar nicht erwartet hätte, und nahm mich im Wagen mit sich. Zum erstenmal in meinem Leben kam ich in ein Theater, in eine Liebhabervorstellung bei Frau Witowtowa; die Kerzen, die Kronleuchter, die Damen, die Offiziere, die Generale, die jungen Mädchen, der Vorhang, die Stuhlreihen – ich hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen. Tatjana Pawlowna wählte sich ein ganz bescheidenes Plätzchen in einer der hintersten Reihen aus, und ich mußte mich neben sie setzen. Natürlich waren auch Kinder wie ich da, aber ich sah nach nichts mehr hin, sondern wartete mit stockendem Herzschlag auf die Vorstellung. Als Sie auftraten, Andrej Petrowitsch, war ich begeistert, so begeistert, daß mir sogar die Tränen kamen; warum, weshalb, das verstehe ich selbst nicht. Woher kamen diese Tränen der Begeisterung? – Das erschien mir immer wunderlich, wenn ich in diesen ganzen neun Jahren daran zurückdachte! In höchster Spannung folgte ich dem Gang des Lustspiels; ich verstand davon natürlich nur, daß sie ihm untreu wurde und daß dumme Menschen, die nicht soviel wert waren wie sein kleiner Finger, sich über ihn lustig machten. Als er sich auf dem Ball freimütig aussprach, da verstand ich, daß er erniedrigt und beleidigt war, daß er allen diesen kläglichen Menschen Vorwürfe machte, daß er selbst aber groß war, wahrhaft groß! Natürlich erleichterte auch die Vorbereitung, die ich bei Andronikows gehabt hatte, mir das Verständnis, aber es war ganz besonders auch Ihr Spiel, Andrej Petrowitsch! Ich sah zum erstenmal eine Bühne! Als am Schluß Tschazkijrief: ›Den Wagen, schnell den Wagen!‹ (und Sie riefen das wundervoll), da sprang ich vom Stuhl auf und klatschte mit dem ganzen laut applaudierenden Saal in die Hände und schrie aus voller Kehle: ›Bravo!‹ Ich erinnere mich lebhaft, daß ich in diesem Augenblick hinten ›unterhalb des Kreuzes‹ einen Schmerz wie von einem Stecknadelstich fühlte; Tatjana Pawlowna hatte mich wütend gekniffen, aber ich achtete gar nicht darauf! Selbstverständlich brachte mich Tatjana Pawlowna sofort nach der Vorstellung nach Hause: ›Zum Tanzen kannst du doch

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