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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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nicht dableiben; du bist bloß schuld daran, daß ich selbst nicht dableiben kann‹, so mäkelten Sie, Tatjana Pawlowna, auf der ganzen Rückfahrt. Die ganze Nacht war ich wie im Fieber, und am andern Morgen stand ich schon um zehn Uhr an der Tür Ihres Zimmers, Andrej Petrowitsch, aber das Zimmer war verschlossen: es waren bei Ihnen Leute, mit denen Sie geschäftlich verhandelten; dann fuhren Sie plötzlich weg und blieben den ganzen Tag bis spät in die Nacht hinein fort – auf diese Weise bekam ich Sie gar nicht zu sehen! Was ich Ihnen eigentlich damals sagen wollte, habe ich natürlich vergessen, und ich wußte es nicht einmal damals; aber ich hatte ein brennendes Verlangen, Sie so bald wie möglich zu sehen. Am folgenden Tage aber reisten Sie schon um acht Uhr morgens nach Serpuchow: Sie hatten damals soeben Ihr im Gouvernement Tula gelegenes Gut verkauft, um mit Ihren Gläubigern ins reine zu kommen, hatten aber dabei doch ein ganz nettes Sümmchen in den Händen behalten; das war der Grund, weswegen Sie damals auch Moskau wieder einmal besuchten, wo Sie sich bisher aus Furcht vor Ihren Gläubigern nicht hatten zeigen können; und nun war dieser Grobian in Serpuchow der einzige von all Ihren Gläubigern, der sich nicht mit fünfzig Prozent zufriedengeben wollte. Tatjana Pawlowna antwortete mir nicht einmal auf meine Fragen. ›Das geht dich nichts an‹, sagte sie, ›und übermorgen bringe ich dich in eine Pension; mach dich fertig, leg deine Hefte zusammen, bring deine Bücher in Ordnung; du könntest dich auch daran gewöhnen, deinen Koffer selbst zu packen, werde mir nur nicht dünkelhaft und arbeitsscheu, du junger Herr!‹ Und so ging es in einem Zuge: Sie haben mich in diesen drei Tagen gehörigbetrommelt, Tatjana Pawlowna! Schließlich wurde ich zu Touchard in Pension gebracht, ich, der ich mich in meiner Unschuld in Sie verliebt hatte, Andrej Petrowitsch. Nun, meinetwegen mag man unsere ganze Begegnung für einen dummen Zufall halten, aber werden Sie es glauben: später, ein halbes Jahr darauf, wollte ich von Touchard zu Ihnen fliehen!«
    »Du hast das sehr schön erzählt und mir alles so lebhaft wieder ins Gedächtnis zurückgerufen«, sagte Wersilow sehr ruhig und deutlich, »aber was mir in deiner Erzählung am meisten imponiert, das ist die Fülle merkwürdiger Details, zum Beispiel hinsichtlich meiner Schulden. Ich will gar nicht davon reden, daß die Erwähnung dieser Einzelheiten einigermaßen taktlos ist, aber ich begreife nicht, woher du diese Kenntnisse erlangt hast.«
    »Woher ich die Kenntnis dieser Einzelheiten erlangt habe? Aber ich wiederhole Ihnen, daß ich während dieser ganzen neun Jahre weiter nichts getan habe, als mir eingehende Kenntnisse über Sie zu verschaffen.«
    »Ein seltsames Bekenntnis und ein seltsamer Zeitvertreib.«
    Er drehte sich in halb liegender Haltung auf seinem Lehnstuhl herum und gähnte sogar ein wenig – ob absichtlich oder nicht, weiß ich nicht.
    »Nun, wie ist's? Soll ich weitererzählen, wie ich von Touchard zu Ihnen fliehen wollte?«
    »Verbieten Sie es ihm, Andrej Petrowitsch! Jagen Sie ihn einfach aus dem Zimmer!« rief Tatjana Pawlowna heftig.
    »Das geht nicht, Tatjana Pawlowna«, erwiderte Wersilow nachdrücklich. »Arkadij hat sich augenscheinlich etwas vorgenommen, und folglich muß man ihn unbedingt die Sache zu Ende bringen lassen. Mag er es also tun! Hat er's erzählt, dann ist er die Last vom Herzen los, und das ist ja für ihn die Hauptsache. Fang nur deine neue Geschichte an, mein Lieber; das heißt, wenn ich sage ›neu‹, so rege dich deswegen nicht auf, sei versichert, ich kenne das Ende.«

IV
     
    »Wie ich floh, das heißt, wie ich zu Ihnen fliehen wollte, das ist eine sehr einfache Geschichte. Erinnern Sie sich wohl noch, Tatjana Pawlowna, daß ungefähr zwei Wochen nach meinem Einzug Touchard Ihnen einen Brief schrieb, ja? Mir hat später Marja Iwanowna den Brief gezeigt, er hatte sich ebenfalls in den Papieren des verstorbenen Andronikow gefunden. Touchard war auf einmal zu der Ansicht gelangt, daß er zu wenig Geld für mich gefordert habe, und erklärte Ihnen nun in seinem Brief höchst ›würdevoll‹, in seinem Institut würden nur Söhne von Fürsten und Senatoren erzogen und er halte es mit dem Ansehen seines Institutes für unvereinbar, daß ihm ein Zögling von solcher Herkunft wie ich angehöre, wenn er nicht eine Zulage bekäme.«
    »Mon cher, du könntest ...«
    »Oh, seien Sie unbesorgt, seien Sie unbesorgt«,

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