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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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schmales Kämmerchen; in der Höhe meiner Schulter, nicht höher, begann der Winkel, den die Wand und das Dach miteinander bildeten, den obersten Teil des Daches konnte ich mit der Hand berühren. Wersilow hielt sich im ersten Augenblick unwillkürlich gebückt, aus Furcht, mit dem Kopf gegen die Wand zu stoßen; er stieß indessen nicht daran und setzte sich schließlich ganz ruhig auf mein Sofa, auf dem bereits mein Bett zurechtgemacht war. Was mich anlangt, so setzte ich mich nicht hin und blickte ihn höchst verwundert an.
    »Deine Mutter sagt«, begann er, »sie habe nicht gewußt, ob sie von dir das Geld annehmen solle, das du ihr vorhin für deinen einmonatigen Unterhalt angeboten hast. Im Hinblick auf einen solchen Sarg können wir das Geld nicht nehmen; vielmehr müßtest du eigentlich von uns noch etwas herausbekommen! Ich bin niemals hiergewesen und ... kann mir gar nicht vorstellen, daß hier jemand wohnen kann.«
    »Ich habe mich daran gewöhnt. Aber Sie hier bei mir zu sehen, daran kann ich mich nach alledem, was unten vorgegangen ist, absolut nicht gewöhnen.«
    »Nun ja, du warst unten reichlich grob, aber ... ich habe jedenfalls meine besonderen Absichten, die ich dir auch erklären werde, obwohl übrigens an meinem Kommen nichts Ungewöhnliches zu finden ist; selbst das, was sich unten zugetragen hat, liegt ebenfalls durchaus in der natürlichen Entwicklung der Dinge. Aber ich bitte dich um alles in der Welt, erkläre mir nur eines: war denn das, was du da unten erzählt und worauf du uns so feierlich vorbereitet hast und was du dann mit solchem Aplomb in Angriff nahmst, war denn das wirklich alles, was du uns zu entdecken oder mitzuteilen beabsichtigtest, und hättest du weiter gar nichts zu sagen?«
    »Es war alles. Das heißt, nehmen wir an, daß es alles war.«
    »Das war herzlich wenig, mein Freund. Ich muß gestehen, nach deinen vorhergehenden Anstalten zu urteilen, und wie du uns zum Lachen auffordertest, kurz gesagt, wenn ich bedenke, was du für große Lust hattest, zu erzählen, – da hatte ich doch mehr erwartet.«
    »Sollte Ihnen das nicht ganz gleichgültig sein?«
    »Was mich zu dieser Bemerkung veranlaßt, ist auch eigentlich nur mein Gefühl für das rechte Maß: die Sache war nicht ein solches Geprassel wert, und es wurde dadurch das richtige Größenverhältnis zerstört. Einen ganzen Monat lang hast du geschwiegen und Kraft gesammelt, und was dann auf einmal zutage kommt, ist nicht der Rede wert.«
    »Ich wollte noch vieles erzählen, aber ich schäme mich schon, daß ich auch nur dies erzählt habe. Nicht alles kannman mit Worten erzählen, und manches erzählt man am besten nie. Ich meinerseits habe übrigens genug gesagt, aber Sie haben es ja nicht verstanden.«
    »Ah, also auch du leidest manchmal darunter, daß ein Gedanke sich nicht recht in Worte kleiden lassen will! Das ist ein edles Leiden, mein Freund, das nur Auserwählten beschieden ist; ein Dummkopf ist immer mit dem, was er gesagt hat, zufrieden und spricht zudem immer mehr, als nötig ist, sozusagen auf Vorrat.«
    »So wie zum Beispiel ich unten; ich habe auch mehr gesprochen, als nötig war: ich verlangte ›den ganzen Wersilow‹; das war weit mehr, als nötig war; ich habe Wersilow überhaupt nicht nötig.«
    »Mein Freund, du möchtest, wie ich sehe, das, was du unten verloren hast, wieder einbringen. Du bereust offenbar dein Vorgehen, und da bereuen bei uns soviel bedeutet wie sofort von neuem über den Gegner herfallen, so möchtest du nicht zum zweitenmal einen Fehlangriff auf mich machen. Ich bin zu früh hergekommen; du hast dich noch nicht abgekühlt und kannst überdies keine Kritik vertragen. Aber um Himmels willen, setz dich doch; ich bin hergekommen, um dir etwas mitzuteilen; danke, so ist's recht. Nach dem, was du unten beim Fortgehen zu deiner Mutter gesagt hast, ist es nur zu deutlich, daß wir jedenfalls am besten tun, wenn wir uns trennen. Ich bin nun zu dir gekommen, um dich zu bitten, dies in möglichst milder Form und ohne einen Skandal auszuführen, damit deine Mutter sich nicht noch mehr grämt und ängstigt. Schon daß ich selbst zu dir ging, ist für sie eine Ermutigung gewesen: sie glaubt so halb und halb, wir würden uns noch versöhnen, na, und dann werde alles weitergehen wie bisher. Ich meine, wenn du und ich jetzt hier ein- oder zweimal recht laut lachten, so würden wir ihre schüchternen Herzen da unten in Entzücken versetzen. Mögen es auch nur schlichte Herzen sein, so sind sie

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