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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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doch von aufrichtiger, ehrlicher Liebe erfüllt, warum sollte man ihnen da bei sich bietender Gelegenheit nicht eine Freundlichkeit erweisen? Nun also, das wäre das eine. Zweitens: warum sollen wir uns denn durchaus mit Rachedurst, mit Zähneknirschen, mit Verwünschungen und so weiter voneinander trennen? Ohne Zweifel haben wirkeinen Anlaß, einander um den Hals zu fallen, aber man kann doch sozusagen mit gegenseitiger Hochachtung voneinander scheiden, nicht wahr?«
    »Das ist alles Unsinn! Ich verspreche, daß ich ohne einen Skandal ausziehen werde – also genug davon! Geben Sie sich denn diese Mühe im Interesse meiner Mutter? Mir scheint vielmehr, daß die Gemütsruhe meiner Mutter Ihnen gleichgültig ist und Sie aus andern Gründen so reden.«
    »Du glaubst mir nicht?«
    »Sie sprechen mit mir geradezu wie mit einem kleinen Kind!«
    »Mein Freund, ich bin bereit, dich tausendmal für alles um Verzeihung zu bitten, was du da auf meine Rechnung setzt, für all diese Jahre deiner Kindheit und so weiter, aber, cher enfant, was würde denn dabei herauskommen? Du bist so verständig, daß du dich nicht selbst wirst in eine so dumme Situation bringen wollen. Ich will gar nicht einmal davon reden, daß ich sogar bis zu diesem Augenblick den Sinn deiner Vorwürfe nicht ganz verstehe: in der Tat, woran gibst du mir eigentlich die Schuld? Daß du nicht als ein Wersilow geboren bist? Oder ist es das nicht? Ah, du lachst verächtlich und wehrst mit den Händen ab, also das ist es nicht?«
    »Sie können mir glauben, daß es das nicht ist. Und Sie können mir auch glauben, daß es mir gar nicht als eine Ehre erscheint, den Namen Wersilow zu tragen.«
    »Ob das eine Ehre ist, wollen wir beiseite lassen; zudem mußte ja deine Antwort unbedingt demokratisch sein; aber wenn es so steht, was machst du mir denn dann eigentlich zum Vorwurf?«
    »Tatjana Pawlowna hat vorhin alles gesagt, was ich erfahren mußte und was ich vorher nie hatte begreifen können: daß Sie mich nicht haben Schuster werden lassen und ich Ihnen folglich noch zu Dank verpflichtet bin. Es ist mir unbegreiflich, woher ich so undankbar bin, selbst jetzt noch, nachdem man mich belehrt hat. Ob da nicht etwa Ihr Blut aus mir spricht, Andrej Petrowitsch?«
    »Wahrscheinlich nicht. Und außerdem wirst du selbst zugeben müssen, daß du mit allen deinen heftigen Äußerungen unten, statt mich zu treffen, wie du es beabsichtigtest,nur deine Mutter gequält und gepeinigt hast. Und doch steht es, sollte man meinen, dir nicht zu, über sie zu Gericht zu sitzen. Was hat sie denn dir gegenüber verschuldet? Bei dieser Gelegenheit könntest du mir noch etwas anderes erklären, mein Freund: warum und zu welchem Zweck hast du denn in der Vorschule und auf dem Gymnasium und in deinem ganzen Leben allen Leuten, sogar, wie ich später gehört habe, dem ersten besten, mit dem du zusammenkamst, von deiner illegitimen Herkunft erzählt? Ich habe gehört, du hättest das mit einer besonderen Passion getan. Und doch ist das alles dummes Zeug und häßliche Verleumdung: du bist ein legitimes Kind, ein Dolgorukij, ein Sohn von Makar Iwanytsch Dolgorukij, eines achtbaren Mannes von vortrefflichem Verstand und Charakter. Wenn du aber eine höhere Bildung empfangen hast, so verdankst du das in der Tat deinem früheren Gutsherrn Wersilow, aber was folgt daraus? Das wichtigste aber ist dies: dadurch, daß du überall von deiner illegitimen Herkunft geredet hast, was selbstverständlich schon an sich eine Verleumdung ist, hast du das Geheimnis deiner Mutter preisgegeben und aus falschem Stolz deine Mutter vor den Richterstuhl jedes beliebigen Lumpenkerls geschleppt. Das ist sehr unedel gehandelt, mein Freund, um so mehr, als deine Mütter persönlich an nichts Schuld trägt: sie ist von Charakter das reinste Wesen, das man sich nur denken kann, und wenn sie nicht Frau Wersilowa ist, so liegt das nur daran, daß sie bis jetzt noch verheiratet ist.«
    »Lassen Sie es genug sein; ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, und im Vertrauen auf Ihre Klugheit hoffe ich bestimmt, daß Sie diese schon zu lange Moralpredigt abbrechen werden. Sie lieben ja so sehr das rechte Maß; nun, in allen Dingen muß das rechte Maß innegehalten werden, sogar in Ihrer plötzlichen Liebe zu meiner Mutter. Ich will Ihnen etwas anderes vorschlagen: da Sie sich nun einmal dazu entschlossen haben, zu mir heraufzukommen und bei mir eine viertel oder eine halbe Stunde zu sitzen (ich weiß allerdings immer noch nicht,

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