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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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mit größtem Erstaunen zu.
    »»Wer zwei Hasen zugleich jagt, bekommt keinen«, sagen die Leute oder richtiger die gewöhnlichen Leute. Ich aber sage so: Ausnahmen, die sich fortwährend wiederholen, verwandeln sich in eine allgemeine Regel. Er machte noch auf einen andern Hasen Jagd, das heißt, ins Russische übersetzt, noch auf eine andere Dame – und er erreichte gar nichts. Wenn man etwas gegriffen hat, dann muß man es auch festhalten. Wo schnelles Handeln nötig ist, da zaudert er. Wersilow ist ein »Weiberprophet«, so hat ihn der junge Fürst Sokolskij damals in meiner Gegenwart sehr hübsch charakterisiert. Nein, zu mir müssen Sie kommen! Wenn Sie viel über Wersilow erfahren wollen, dann müssen Sie zu mir kommen!«
    Es machte ihm augenscheinlich das größte Vergnügen zu sehen, wie ich vor Erstaunen den Mund aufriß. Von einem Säugling hatte ich bisher noch nie etwas gehört. Und gerade in diesem Augenblick wurde bei den Nachbarinnen plötzlich die Tür heftig zugeschlagen, und es trat jemand schnell in ihr Zimmer.
    »Wersilow wohnt im Semjonowskij Polk, in der Moshaiskaja-Straße, im Hause der Frau Litwinowa, Wohnung Nummer dreizehn; ich bin selbst auf dem Adreßbüro gewesen!« schrie eine Frauenstimme im Ton höchster Aufregung; wir konnten jedes Wort verstehen; Stebelkow zogdie Augenbrauen in die Höhe und hob einen Finger über seinen Kopf.
    »Wir reden hier von ihm, und da ist auch etwas mit ihm los ... Da haben wir die Ausnahmen, die sich fortwährend wiederholen! Quand on parle d'une corde ...«
    Mit einem schnellen Sprung kniete er sich auf das Sofa und horchte an der Tür, an der es stand.
    Auch ich war aufs äußerste überrascht. Ich sagte mir, daß das wahrscheinlich dasselbe junge weibliche Wesen sein mußte, das vorher in solcher Aufregung weggelaufen war. Aber in welcher Weise war Wersilow auch hierbei beteiligt? Auf einmal erscholl wieder ein ebensolches Kreischen wie vorher, das Kreischen eines vor Wut ganz sinnlos gewordenen Menschen, dem man etwas nicht gibt oder den man von etwas zurückhält. Der Unterschied gegen vorhin war nur der, daß das Geschrei und Gekreisch noch länger dauerte. Es war ein Kampf zu hören sowie hastig wiederholte Worte: »Ich will es nicht, ich will es nicht; geben Sie es wieder her, geben Sie es gleich wieder her!« oder so ähnlich – ich kann mich nicht genau darauf besinnen. Darauf lief ebenso wie vorher jemand eilig zur Tür und öffnete sie. Beide Nachbarinnen liefen auf den Flur hinaus; die eine suchte wie vorher offenbar die andere zurückzuhalten. Stebelkow, der schon längst vom Sofa heruntergesprungen war und mit Genuß lauschte, stürzte nur so zur Tür hin und rannte ganz ungeniert auf den Flur, gerade auf die Nachbarinnen los. Selbstverständlich lief ich ebenfalls zur Tür. Aber sein Erscheinen auf dem Flur wirkte wie ein Guß kalten Wassers: die Nachbarinnen verschwanden schleunigst wieder und schlugen die Tür geräuschvoll hinter sich zu. Stebelkow wollte ihnen nachstürzen, blieb jedoch stehen, hob einen Finger in die Höhe, lächelte und überlegte; diesmal bemerkte ich in seinem Lächeln einen außerordentlich häßlichen, hinterlistigen, boshaften Ausdruck. Als er die Wirtin erblickte, die wieder an ihrer Tür stand, lief er schnell auf Zehenspitzen den Flur entlang zu ihr; nachdem er dann ein paar Minuten mit ihr geflüstert und offenbar die gewünschte Auskunft erhalten hatte, kehrte er, nunmehr in würdevoller, entschlossener Haltung, in das Zimmer zurück, nahm seinenZylinderhut vom Tisch, warf einen kurzen Blick in den Spiegel, strich sich das Haar in die Höhe und begab sich mit selbstbewußter Würde, ohne mich auch nur noch anzusehen, zu den Nachbarinnen. Einen Augenblick lauschte er an der Tür, indem er das Ohr heranhielt und siegesgewiß über den Flur hin der Wirtin zublinzelte, die ihm mit dem Finger drohte und den Kopf schüttelte, als ob sie sagen wollte: ›Oh, Sie Schwerenöter, Sie Schwerenöter!‹. Endlich klopfte er mit einem Ausdruck von Entschiedenheit und höchstem Taktgefühl, wobei er sich vor Taktgefühl geradezu krümmte, mit den Fingerknöcheln bei den Nachbarinnen an. Eine Stimme rief:
    »Wer ist da?«
    »Möchten Sie mir nicht gestatten, in einer sehr wichtigen Angelegenheit einzutreten?« sagte Stebelkow laut und würdevoll.
    Die Nachbarinnen zauderten, öffneten dann aber doch, anfangs nur ein klein wenig, etwa zu einem Viertel; aber Stebelkow faßte sofort mit kräftigem Griff die Klinke und

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