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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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daß er ein Sohn von ihm ist! Wenn er mit Ihnen zusammen ist, so ist er ein Schurke. Wenn Sie ein Sohn Wersilows sind«, wandte sie sich plötzlich an mich, »so bestellen Sie Ihrem Vater von mir, daß er ein Schurke ist, ein gemeiner, schamloser Mensch, und daß ich sein Geld nicht will ... Da, da, da, geben Sie ihm dieses Geld zurück!«
    Sie zog schnell einige Banknoten aus der Tasche, aber die Ältere (das heißt ihre Mutter, wie sich später herausstellte) faßte sie an der Hand.
    »Olga, aber vielleicht ist es gar nicht wahr, vielleicht ist er gar nicht sein Sohn!«
    Olga sah sie schnell an, überlegte einen Augenblick, warf mir einen verächtlichen Blick zu und wendete sich nach dem Zimmer zurück, aber bevor sie die Tür zuschlug, schrie sie, auf der Schwelle stehend, noch einmal wütend Stebelkow zu:
    »Verschwinden Sie!«
    Sie stampfte dabei sogar mit dem Fuß. Dann wurde die Tür zugeschlagen und von innen verschlossen. Stebelkow, der mich immer noch an der Schulter gefaßt hielt, hobeinen Finger in die Höhe, zog den Mund zu einem langen, nachdenklichen Lächeln auseinander und richtete einen starken, fragenden Blick auf mich.
    »Ich finde Ihr Benehmen mir gegenüber lächerlich und unwürdig«, murmelte ich entrüstet.
    Aber er hörte gar nicht, was ich sagte, obgleich er mich unverwandt ansah.
    »Das müßte man un-ter-su-chen!« sagte er nachdenklich.
    »Aber wie konnten Sie sich erdreisten, mich hinzuzuziehen? Wer war das? Was war das für eine Frauensperson? Sie haben mich an der Schulter gefaßt und herangeholt; was soll das heißen?«
    »Ach, hol's der Teufel! Das ist so ein Mädchen, dem die Unschuld geraubt ist ... eine sich ›oft wiederholende Ausnahme‹. Sie folgen doch?«
    Er setzte mir den Finger auf die Brust.
    »Ach, hol's der Teufel!« rief ich und stieß seinen Finger weg.
    Aber plötzlich und ganz unerwartet begann er zu lachen, leise, unhörbar, lange und vergnügt. Endlich setzte er seinen Hut auf und bemerkte mit schnell verändertem, jetzt finster aussehendem Gesichtsausdruck und zusammengezogenen Brauen:
    »Man müßte der Wirtin Mitteilung machen ... sie müßten hinausgesetzt werden, – das müßte geschehen, und zwar so schnell wie möglich, sonst werden sie hier noch ... Na, Sie werden sehen! Denken Sie an das, was ich gesagt habe; Sie werden sehen! Hol's der Teufel, ja!« fuhr er, auf einmal wieder heiter werdend, fort. »Sie wollen ja wohl auf Grischa warten?«
    »Nein, ich werde nicht länger auf ihn warten«, antwortete ich in bestimmtem Ton.
    »Na, es ist ja auch ganz egal ...«
    Und ohne einen Laut weiter hinzuzufügen, wandte er sich um, ging hinaus und stieg die Treppe hinunter; auch die Wirtin, die offenbar Erklärungen und Mitteilungen von ihm erwartete, würdigte er keines Blickes. Ich nahm ebenfalls meinen Hut, bat die Wirtin, zu bestellen, daß ich, Dolgorukij, dagewesen sei, und lief die Treppe hinab.

III
     
    Ich hatte mit diesem Besuch nur Zeit verloren. Als ich aus dem Hause heraustrat, machte ich mich sofort daran, mir eine Wohnung zu suchen; aber ich war zerstreut, lief ein paar Stunden lang durch die Straßen, und obgleich ich mir fünf oder sechs möblierte Zimmer ansah, bin ich doch überzeugt, daß ich an zwanzig anderen vorbeilief, ohne sie zu bemerken. Mein Ärger war um so größer, als ich mir gar nicht vorgestellt hatte, daß es so schwer sei, eine Wohnung zu finden. Überall Zimmer wie das Wassinsche, ja sogar noch weit schlechter, und dabei kolossale Preise, das heißt für meine Verhältnisse. Ich forderte ein Kämmerchen, nur so groß, daß ich mich darin umdrehen könnte, und man gab mir geringschätzig zu verstehen, dann müsse ich mich an Vermieter von Schlafstellen wenden. Außerdem fand sich überall eine Menge von sonderbaren Untermietern, mit denen ich mich, schon allein nach ihrem Äußern zu urteilen, nie hätte einleben können, – ich hätte sogar noch etwas zugezahlt, um nicht neben ihnen wohnen zu müssen. Da waren Herren ohne Röcke, in bloßen Westen, mit ungekämmten Bärten und mit sehr zwanglosem, neugierigem Benehmen. In einem winzigen Zimmerchen saßen ihrer zehn beim Kartenspiel und beim Bier, und daneben wurde mir ein Zimmer angeboten. An anderen Stellen gab ich selbst auf die Fragen der Vermieter so ungeschickte Antworten, daß sie mich verwundert ansahen, und in einer Wohnung geriet ich mit ihnen sogar in Streit. Übrigens hat es keinen Zweck, alle diese unbedeutenden Vorgänge zu schildern; ich will nur sagen, daß

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