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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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in den Bergen; wir steigen in größerer Gesellschaft hinauf, mit spitzen Bergstöcken, auf irgendeinen Berg; wie er heißt, das ist ganz egal. An einem Kreuzweg, das heißt an einem Rastort, gerade da, wo die Mönche den Chartreuse fabrizieren (beachten Sie das wohl!), treffe ich einen Einheimischen, der allein dasteht und schweigend vor sich hin blickt. Ich möchte etwas über seine Solidität erfahren: was meinen Sie, könnte ich mich wohl um Auskunft an den Trupp Engländer wenden, mit dem ich zusammen gehe, einzig und allein deswegen, weil ich in dem Badeort nicht verstanden habe, mit ihnen ein Gespräch anzuknüpfen?«
    »Wie soll ich das wissen? Entschuldigen Sie, es fällt mir sehr schwer, Ihnen zu folgen.«
    »Es fällt Ihnen schwer?«
    »Ja, Sie ermüden mich.«
    »Hm.« Er zwinkerte mir zu und machte mit der Hand eine Bewegung, die wahrscheinlich zum Ausdruck bringen sollte, daß er sich als triumphierenden Sieger fühle; dann zog er sehr ernst und ruhig aus der Tasche eine Zeitung, die er offenbar erst gekauft hatte, faltete sie auseinander und begann die letzte Seite zu lesen; mich schien er nun vollständig in Ruhe lassen zu wollen. Etwa fünf Minuten lang sah er nicht nach mir hin.
    »Brest-Grajewo sind ja nicht gefallen, was? Sie sind ja gestiegen, sie steigen ja! Ich kenne viele Leute, die dadurch hereingefallen sind.«
    Er sah mich mit lebhaftem Interesse an.
    »Ich verstehe vorläufig von diesen Börsengeschäften nur sehr wenig«, antwortete ich.
    »Sie lehnen es ab?«
    »Was?«
    »Das Geld.«
    »Nicht, daß ich Geld ablehnte, aber ... aber meines Erachtens muß zuerst eine Idee da sein, dann kommt auch das Geld.«
    »Das heißt, erlauben Sie ... da ist zum Beispiel ein Mensch, der sozusagen ein eigenes Kapital besitzt ...«
    »Zuerst muß eine höhere Idee da sein, dann kommt das Geld, aber ohne eine höhere Idee geht die menschliche Gesellschaft mitsamt dem Geld zugrunde.«
    Ich weiß nicht, warum ich anfing, hitzig zu werden. Er sah mich in einer etwas stumpfsinnigen Weise an, als würde er nicht daraus klug, aber auf einmal überzog ein sehr vergnügtes, listiges Lächeln sein ganzes Gesicht.
    »Aber Wersilow, wie ist's mit dem? Der hat's ja gekriegt, der hat's gekriegt! Gestern hat das Gericht es ihm zuerkannt, wie?«
    Ich sah auf einmal zu meiner Überraschung, daß er schon längst wußte, wer ich war, und vielleicht auch sonst noch sehr vieles wußte. Ich verstehe nur nicht, warum ich plötzlich errötete und ihn höchst dumm anblickte, ohne die Augen von ihm abzuwenden. Er triumphierte offenbar und schaute mich vergnügt an, als hätte er mich auf eine recht schlaue Weise ertappt und überführt.
    »Nein«, sagte er und zog beide Augenbrauen in die Höhe, »wenn Sie etwas über Herrn Wersilow wissen wollen, so müssen Sie mich fragen! Was habe ich Ihnen jetzt eben über Gediegenheit gesagt? Vor anderthalb Jahren hätte er mit diesem kleinen Kind ein kolossales Geschäft machen können – jawohl, aber er griff es falsch an, jawohl.«
    »Mit was für einem kleinen Kind?«
    »Mit dem Säugling, den er jetzt heimlich aufzieht, aber er profitiert dadurch nichts ... denn ...«
    »Was ist das für ein Säugling? Was heißt das?«
    »Natürlich sein Kind, sein eigenes Kind, das ihm Mademoiselle Lidija Achmakowa geboren hat ... »Es hatte eine schöne Maid in Liebe mir ihr Herz geweiht« ... Phosphorzündhölzchen – wie?«
    »Was ist das für dummes Zeug, was für ein Unsinn! Die Achmakowa hat nie ein Kind von ihm gehabt!«
    »Oho! Als ob ich bei der Geschichte nicht dabeigewesen wäre! Ich bin ja doch Arzt und Geburtshelfer. Mein Name ist Stebelkow; haben Sie nicht von mir gehört? Praktiziert habe ich allerdings schon damals lange nicht mehr, abereinen praktischen Rat in einem praktischen Fall zu geben, dazu war ich imstande.«
    »Sie sind Geburtshelfer ... haben Sie denn die Achmakowa entbunden?«
    »Nein, ich habe bei der Achmakowa nichts gemacht. Es wohnte da in der Vorstadt ein Doktor Granz, der eine große Familie hatte; man bezahlte ihm einen halben Taler, das ist da so die Taxe bei den Ärzten, und außerdem kannte ihn niemand; der tat es denn an meiner Stelle ... Ich hatte ihn empfohlen, damit die Sache im Dunkel des Geheimnisses bliebe. Folgen Sie auch? Ich aber gab nur auf eine Frage Wersilows, auf eine Frage Andrej Petrowitschs, einen praktischen Rat; es war eine ganz geheime Frage, unter vier Augen. Aber Andrej Petrowitsch zog es vor, auf zwei Hasen Jagd zu machen.«
    Ich hörte

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