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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Menschen gerade der Mangel an Regelmäßigkeit, Konsequenz und Bestimmtheit ist.
    Er hatte sich noch nicht hingesetzt, als mir auf einmal der Gedanke durch den Kopf fuhr, daß dies gewiß Wassins Stiefvater sei, ein gewisser Herr Stebelkow, über den ich schon etwas gehört hatte, aber nur so flüchtig, daß ichkeineswegs sagen konnte, was es eigentlich gewesen war: ich erinnerte mich nur, daß es nichts Gutes gewesen war. Ich wußte, daß Wassin lange als Waise unter seiner Vormundschaft gestanden, sich aber schon längst von seinem Einfluß frei gemacht hatte, daß ihre Ziele und Interessen ganz verschieden waren und daß sie in jeder Hinsicht voneinander getrennt lebten. Ich erinnerte mich auch, daß dieser Stebelkow einiges Kapital besaß und ein Spekulant und Hans in allen Gassen war; kurz, ich hatte über ihn wohl schon allerlei Details gewußt, sie aber wieder vergessen. Er maß mich mit einem Blick, übrigens ohne mir eine Verbeugung zu machen, stellte seinen Zylinderhut auf den Sofatisch, den er mit dem Fuße energisch wegschob; dann setzte er sich nicht eigentlich, sondern flegelte sich geradezu auf das Sofa hin, auf das ich mich nicht zu setzen gewagt hatte, so daß es nur so krachte, streckte die Beine aus, hob die Spitze seines rechten Lackstiefels in die Höhe und begann sie wohlgefällig zu betrachten. Natürlich wandte er sich dann sogleich zu mir hin und maß mich mit seinen großen, etwas starren Augen.
    »Ich treffe ihn nie zu Hause an!« sagte er und nickte mir flüchtig mit dem Kopf zu.
    Ich schwieg.
    »Er ist unpünktlich! Hat seine eigenen Ansichten über Geschäftsangelegenheiten. Von der Petersburger Seite?«
    »Das heißt, Sie sind von der Petersburger Seite gekommen?« fragte ich zurück.
    »Nein, das frage ich Sie.«
    »Ich ... ich bin von der Petersburger Seite gekommen, aber wie haben Sie das erfahren?«
    »Wie ich es erfahren habe? Hm! ...« Er zwinkerte mit den Augen, ließ sich aber nicht dazu herbei, mir eine Erklärung zu geben.
    »Das heißt, ich wohne nicht auf der Petersburger Seite, sondern war jetzt nur dort und bin von da hierhergekommen.«
    Er fuhr fort, schweigend in einer bedeutsamen Weise zu lächeln; dieses Lächeln mißfiel mir außerordentlich. In diesem Zuzwinkern lag etwas Dummes.
    »Bei Herrn Dergatschew?« sagte er endlich.
    »Was ist bei Dergatschew?« fragte ich, die Augen aufreißend.
    Er sah mich triumphierend an.
    »Ich kenne ihn gar nicht.«
    »Hm.«
    »Wie es Ihnen beliebt!« antwortete ich.
    Er wurde mir geradezu widerwärtig.
    »Hm, ja. Nein, erlauben Sie; Sie kaufen in einem Laden eine Ware; in einem andern Laden nebenan kauft ein anderer Käufer eine andere Ware; was meinen Sie, was das für eine Ware ist? Sie kaufen Geld bei einem Kaufmann, den man einen Darleiher nennt ... denn das Geld ist ebenfalls eine Ware, und ein Darleiher ist ebenfalls ein Kaufmann ... Folgen Sie meiner Darlegung?«
    »Meinetwegen, ich folge.«
    »Ein dritter Käufer geht vorbei, zeigt auf den einen der beiden Läden und sagt: »Das ist ein gediegenes Geschäft«, und dann zeigt er auf den andern Laden und sagt: »Das ist kein gediegenes Geschäft.« Was kann ich daraus in bezug auf diesen Käufer für einen Schluß ziehen?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    »Nein, erlauben Sie! Ich will Ihnen ein Beispiel anführen; es geht nichts über ein gutes Beispiel. Ich gehe auf dem Newskij Prospekt und bemerke, daß auf der anderen Seite der Straße auf dem Gehsteig ein Herr geht, über dessen Charakter ich gern Klarheit haben möchte. Wir gehen auf den gegenüberliegenden Seiten bis dicht an die Kreuzung mit der Morskaja-Straße, und gerade da, wo sich das Englische Magazin befindet, bemerken wir einen dritten Fußgänger, der soeben von einem Pferdefuhrwerk überfahren worden ist. Nun passen Sie einmal recht auf: es geht ein vierter Herr vorüber und wünscht über den Charakter von uns allen dreien, den Überfahrenen eingeschlossen, Klarheit zu haben, was praktische Tüchtigkeit und Gediegenheit anlangt ... Folgen Sie auch?«
    »Entschuldigen Sie, nur mit großer Mühe.«
    »Gut; das hatte ich mir auch gedacht. Ich wechsle jetzt das Thema. Ich bin in einem deutschen Badeort mit Mineralquellen; ich bin schon wiederholt dagewesen; wie derOrt heißt, das ist ganz egal. Ich gehe in dem Badeort umher und sehe Engländer. Mit einem Engländer läßt sich, wie Sie wissen, nur schwer Bekanntschaft anknüpfen; aber siehe da, nach zwei Monaten haben wir unsere Kur beendet und befinden uns alle

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