Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
verhinderte, daß die Tür wieder geschlossen würde. Es entspann sich ein Gespräch. Stebelkow sprach laut und suchte dabei immer mehr ins Zimmer einzudringen; ich erinnere mich nicht mehr der Worte, aber er sprach von Wersilow, er könne ihnen Mitteilungen machen, ihnen alles erklären: »Nein, wenn Sie etwas wissen wollen, dann müssen Sie mich fragen«, »nein, wenn Sie etwas wissen wollen, dann müssen Sie zu mir kommen« – in dieser Art. Sie ließen ihn sehr bald herein. Ich kehrte zu dem Sofa zurück und fing an zu horchen, aber ich konnte nicht alles verstehen, ich hörte nur, daß häufig der Name Wersilow vorkam. An dem Tonfall der Stimme erkannte ich, daß Stebelkow bereits das Gespräch beherrschte, daß er nicht mehr einschmeichelnd sprach, sondern herrisch und lässig, in der Art, wie er vorher zu mir gesagt hatte: »Folgen Sie auch?« »Nun passen Sie einmal recht auf!« und so weiter. Übrigens mußte er sich wohl alle Mühe geben; gegenüber den Frauenspersonen liebenswürdig zu sein. Schon zweimal war er in ein lautes Gelächter ausgebrochen, und sicherlich bei ganz unpassender Gelegenheit, denn zugleich mit seiner Stimme und manchmal sogar dieselbe übertönend, warendie beiden weiblichen Stimmen zu vernehmen, die durchaus keinen lustigen Klang hatten, am wenigsten die der jungen Frauensperson, derjenigen, die vorher so gekreischt hatte. Sie sprach viel, nervös und hastig; offenbar erhob sie gegen jemand irgendwelche Beschuldigung und Anklage und suchte Recht und Gericht. Aber Stebelkow gab nicht nach; er erhob seine Stimme immer lauter und lauter und lachte immer öfter und öfter; Menschen von diesem Schlage verstehen es nicht, andere anzuhören. Ich ging bald vom Sofa wieder weg, weil ich mich des Horchens zu schämen anfing, und setzte mich wieder auf meinen alten Platz am Fenster, auf den Rohrstuhl. Ich war davon überzeugt, daß Wassin von diesem Herrn überhaupt nichts hielt, daß er aber, wenn ich dieselbe Meinung ausspräche, sofort mit würdevollem Ernst für ihn eintreten und belehrend bemerken würde, das sei eben »ein Mann der Praxis, einer der jetzigen Geschäftsleute«, den dürfe man »nicht von unseren allgemeinen, abstrakten Gesichtspunkten aus beurteilen«. In diesem Augenblick fühlte ich mich übrigens, wie ich mich erinnere, seelisch ganz zerschlagen, das Herz klopfte mir heftig, und ich erwartete mit Bestimmtheit etwas Ungewöhnliches. Es vergingen ungefähr zehn Minuten, und auf einmal, mitten in einem schmetternden Gelächter Stebelkows, sprang jemand gerade wie vorher vom Stuhl auf, dann ertönte Geschrei der beiden Frauenspersonen; es war zu hören, daß auch Stebelkow aufsprang, daß er etwas in jetzt ganz anders klingendem Ton sagte, wie wenn er sich rechtfertigte und bäte, ihn zu Ende anzuhören. Aber sie hörten ihn nicht zu Ende an, sondern schrien zornig: »Hinaus! Sie sind ein Schurke, ein schamloser Mensch!« Kurz, es war klar, daß er hinausgeworfen wurde. Ich öffnete die Tür gerade in dem Augenblick, als er aus dem Zimmer der Nachbarinnen auf den Flur hinaussprang; es machte sogar den Eindruck, als ob sie ihn buchstäblich mit den Händen hinausstießen. Als er mich erblickte, schrie er auf einmal los, indem er auf mich zeigte:
    »Da ist ein Sohn Wersilows! Wenn Sie mir nicht glauben, da ist ein Sohn von ihm, sein eigener Sohn! Bitte sehr!« Er packte mich ohne weiteres am Arm. »Das ist einSohn von ihm, sein leiblicher Sohn!« wiederholte er, indem er mich zu den Damen hinzog, ohne übrigens ein Wort der Erklärung für mich hinzuzufügen.
    Die Junge stand auf dem Flur, die Ältere einen Schritt hinter ihr in der Tür. Ich erinnere mich nur, daß dieses arme Mädchen ungefähr zwanzig Jahre alt, ganz hübsch, aber mager und von kränklichem Aussehen war; sie hatte rötliches Haar und im Gesicht eine ziemliche Ähnlichkeit mit meiner Schwester; dieser letztere Umstand fiel mir beim ersten flüchtigen Blick auf, und er ist in meinem Gedächtnis haftengeblieben; nur hat sich Lisa niemals in einer solchen zornigen Wut befunden – das war auch bei ihrem Charakter vollständig ausgeschlossen – wie das junge Mädchen, das vor mir stand: ihre Lippen waren weiß, die hellgrauen Augen funkelten, und sie zitterte am ganzen Leib vor Empörung. Ich erinnere mich auch noch, daß ich meine eigene Lage als recht dumm und unwürdig empfand, da ich absolut nicht wußte, was ich sagen sollte. Das verdankte ich diesem unverschämten Menschen!
    »Was geht mich das an,

Weitere Kostenlose Bücher