Der Jukebox-Mann
etwas zu sagen, und er hatte auch keine Worte gehabt, nicht ein einziges.
»Möchtest du, dass ich gehe?«, hatte sie gefragt, nachdem er lange geschwiegen hatte.
»Musst du morgen nicht arbeiten?«
»Heute meinst du wohl. Nein, im Sommer hab ich mittwochs und donnerstags frei.«
Er hatte nichts von seinem Geburtstag gesagt. Das ging einfach nicht. Er betrachtete sie nicht als Geschenk. Sie war hübsch, aber jetzt war es vorbei.
Er wünschte, es wäre nicht passiert.
An diesem Abend hatte sich sein früheres Leben auf ihn gestürzt, alles war zurückgekehrt. Sein früheres Erwachsenenleben, er konnte gut ohne das auskommen.
Er beugte sich aus dem Fenster. Es duftete noch stärker nach Gras und frühem Morgen. Der Garten sah wie frisch gewaschen aus.
So sollte es nicht sein. Er wollte es nicht.
Astrids Duft sollte durchs offene Fenster verschwinden, vom Morgen aufgelöst werden, aber er würde ihn in Gedanken behalten und seine Angst und all das andere, wie eine scheuernde Erinnerung tief in seinem Körper, wenn er in wenigen Stunden weiterfuhr.
Heute Abend würde er in einer Wohnung sitzen, die ein richtiges Zuhause war.
Fühlte er sich deshalb so elend? Weil er zu Elisabeth und Lennart fahren würde? Es war nicht nur das Quecksilber. Er spürte, dass es erneut zu wirken begann, langsam zwar, aber so, als würde es zurück in den Körper gesogen und mehr Schaden anrichten.
Er legte sich wieder hin. Es war drei Minuten vor fünf. Das Fenster ließ er offen und zog das Laken bis zum Kinn. Auf dem anderen Kopfkissen war der Abdruck von Astrids Kopf. Er strich das Kissen mit der Handfläche glatt.
6
Der Wind weckte ihn, ein Brausen, das schon im Schlaf in seinem Kopf gewesen war. Das Fenster war aufgeflogen, der Wind zerrte daran, und es regnete ins Zimmer.
Die Fensterbank war nass. Er spürte die Nässe unter seinen Zehen, als er auf dem nackten Boden stand. Der Wind dort draußen ließ die Zweige der Bäume über dem Garten hin und her schwingen. Sie waren wie Hände, die mit gespreizten Fingern winkten. Hinter dem Birkenhain links sah er zwei Kinder in gelber Regenkleidung auf der Straße. Wohin sie auch unterwegs waren, sie hatten jedenfalls keine Eile. Eins der Kinder zog sich die Kapuze vom Kopf und lachte. Das andere machte es ihm nach, und er sah, dass es Jungen waren. Beide lachten zu den niedrig hängenden Wolken hinauf, die dieselbe Farbe hatten wie das Wasser in den Pfützen, durch die die Kinder platschten. Vielleicht waren es Brüder. Er glaubte es, in ihrem Lachen war etwas, das auf dieselbe Familie schließen ließ.
Johnny wandte sich vom Fenster ab. Die Bewegung brachte ihm seinen Kopf ins Bewusstsein, aber noch waren die Schmerzen nicht stark. Sie würden schlimmer werden. In wenigen Stunden würde er dumpfe, hämmernde Schmerzen hinter dem rechten Ohr haben, immer hinter dem rechten.
Im Spiegel neben dem Fenster sah er seine Augen, die von einem rötlichen Film überzogen waren. Er dachte an die Lose vom alten Skörd, seine Augen hatten dieselbe fahle Farbe wie die kleinen Lose. Gestern hast du eine Niete gezogen, Johnny-Boy. Er massierte sein Gesicht. Ich will dies Gesicht nicht wieder in diesem verdammten Zustand sehen. Du hast es doch versprochen, alter Junge. Er näherte sein Gesicht dem Spiegel. Im Glas war ein Sprung, der von der linken oberen bis hinunter zur rechten Ecke ging, dadurch wurden die Proportionen seines Gesichtes verschoben, verzerrt. Er zog eine Grimasse, und die Lippen im Spiegel teilten sich in vier Teile. Die Haare hingen ihm tief ins Gesicht, schon fast bis zum Kinn. Er strich sie zurück. Ich kann gleich zu Eskil gehen. Über den Ohren kurz, Eskil, und bitte eine Rasur. Der Regen schlug heftiger gegen das Fenster neben ihm, das Wasser verzerrte die Aussicht, als er wieder hinausschaute, genau wie der Spiegel.
Seinen Kaffee trank er im Phoenix. Er wusste ja, dass Astrid heute frei hatte. Die Frau hinterm Tresen hatte er hier noch nie gesehen. Sie servierte den Kaffee mit einem Glas warmem Wasser und ein Mohnbrötchen mit Käse. Er nahm einen Schluck Wasser und biss von dem Brötchen ab, schluckte alles schnell hinunter und ließ den Rest auf dem Teller liegen.
Eskil war nicht da. Die Vorhänge an den Fenstern des Frisiersalons waren noch zugezogen gewesen, als Johnny das Phoenix betrat.
Ein paar Anstreicher kamen herein und setzten sich an das andere Ende des langen, schmalen Lokals. Sie trugen weiße Arbeitskleidung mit grauen Flecken. Einer von ihnen
Weitere Kostenlose Bücher