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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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neben einer Bettcouch stand. Vielleicht schlief Bergstrand hier.
    »Sie haben in diesem Haus gewohnt«, sagte Bergstrand.
    »Es sieht heute noch genauso aus wie damals.«
    Er setzte sich in einen Sessel und machte eine Handbewegung zur Couch. Johnny setzte sich.
    »Es gab einen Jungen.« Bergstrand hatte eine helle Stimme und ein Gesicht ganz ohne Falten. Seine Augen waren blassblau.
    »Das … war mein Bruder«, sagte Johnny, »mein großer Bruder. Er war einige Jahre älter als ich.«
    »Ach ja?«
    »Er hat manchmal Besorgungen für Sie gemacht«, sagte Johnny.
    »Wirklich?«, sagte Bergstrand. »Na ja, die Erinnerung ist auch nicht mehr das, was sie mal war.«
    Er strich sich über die Stirn.
    »Deine Mutter hat dich in einem Wagen geschoben.«
    Johnny spürte, wie eine heftige Welle seinen Körper durchflutete, die im Magen begann und sich aufwärts und abwärts bewegte.
    »Sie … können sich also an mich erinnern?«
    »Du hast immer wie am Spieß geschrien, und sie hat dich im Wagen spazieren gefahren, damit du still bist, nehme ich an.«
    »Woran … erinnern Sie sich noch?«
    Bergstrand wandte sich wieder zum Fenster, als wären die Erinnerungen dort draußen zu finden.
    »Manchmal denke ich an deine Familie«, sagte er und drehte sich wieder zu Johnny um. »Was damals passiert ist. Manchmal schießen einem ja solche Gedanken durch den Kopf. Besonders wenn man allein ist. Was wird aus Nachbarn, die man einmal gehabt hat. So was. Was ist aus den Kindern geworden.« Bergstrand rutschte ständig im Sessel herum, als sei es ihm unmöglich, eine bequeme Stellung zu finden.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Johnny.
    »Wie bitte? Kinder? Wir hatten keine Kinder. Elna konnte keine kriegen. Oder es hat an mir gelegen. Vielleicht lag es an mir.«
    Bergstrand blickte wieder zum Fenster, zum Nachbarhaus.
    »Ihr habt nicht lange hier gewohnt«, sagte er. »Deine Mutter ist krank geworden, nicht?«
    Johnny nickte.
    »Es war so schrecklich.« Bergstrand sah wieder aus dem Fenster. »Sie war eine schöne Frau, deine Mutter. Immer gut gekleidet.« Er blinzelte Johnny mit seinen blassen Augen an. »Ihr hattet es nicht gerade fett, aber sie hatte Stil.«
    In dem dunklen Zimmer konnte Johnny Bergstrands Augen kaum erkennen.
    »An deinen Vater kann ich mich nicht richtig erinnern«, fuhr Bergstrand fort. »Er hat in einem anderen Ort gearbeitet, oder wie war das?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ich hab ihn später nie wieder gesehen«, sagte Bergstrand.
    Johnny versuchte eine bequeme Lage auf der gestreiften Bettcouch zu finden. Im Raum roch es süßlich und säuerlich zugleich, ein alter Geruch.
    »Was macht dein Bruder jetzt?«
    »Ich … weiß es nicht«, sagte Johnny.
    »Ach so.«
    Einige Sekunden saßen sie schweigend da.
    »Wie hast du hierher gefunden?«, fragte Bergstrand und beugte sich zu ihm vor. Sein Blick wirkte jetzt schärfer. »Du warst noch klein, als ihr … verschwunden seid.«
    »Ich habe es herausgefunden.«
     
    Johnny hörte Bergstrand die Haustür schließen. Er sah, wie sich eine Gardine in dem kleinen verputzten Haus jenseits der gestutzten Fliederhecke bewegte. Er ging den ungepflegten Gartenweg entlang. Plötzlich hatte er Ohrensausen, es klang wie Meeresrauschen. Ihm wurde schwindlig, der Schwindel kam wie eine Woge. Sie war schon fast vorbei, ehe sie kam. Sein Hals war trocken, als hätte er lange gesoffen. Er blinzelte. Ein Auto näherte sich wie in einem Nebel. Er blinzelte noch einmal und seine Sicht wurde klarer. Das Auto fuhr langsam, ein Amazon S, auf dem Fahrersitz nahm er die Haare einer Frau wahr, sie bewegten sich im Wind. Er sah etwas Rotes, ihr Kleid. Das Auto fuhr am Haus vorbei und war weg. Lautlos. Werde ich langsam taub?, dachte er.
     
    Hinter dem Hof ragte der Hügel auf. Dort oben war er gewesen. Wie lange war es her, fünfundzwanzig Jahre, siebenundzwanzig? Über dieses Feld war er gelaufen. Von dort war das Taxi gekommen, von der Wiese neben der Straße, also nicht weit entfernt vom Hof. Es war seine zweite oder dritte Pflegestelle gewesen. In der Familie hatte es eine fast erwachsene Tochter gegeben und einen kleineren Jungen. Ihn und John hatten vielleicht ein, zwei Jahre getrennt. Er hatte Johnny überredet, auf dem Heuboden über der Scheune durchs Heu zu gehen. Darunter war die Luke, und die war offen gewesen. Johnny hatte im Fallen einen Riegel zu fassen bekommen und den Absturz überlebt.
    Auf der nördlichen Seite fiel die Straße steil ab und kehrte in einem Halbkreis zum

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