Der Jukebox-Mann
gepflückt und Marmelade daraus gekocht. Johnny hatte ihn nicht verstanden und Milt hatte den Krug mit der Multebeermarmelade geholt. Cloudberries, hatte er gesagt. Wolkenbeeren.
Lennart ging auf dem Trottoir auf der anderen Straßenseite entlang, umgeben von einem Trupp Kinder. In fünfzig Metern Entfernung sah Johnny die Schule, eine Festung aus Stein, die allzu schwarz war in den Schatten des Nachmittags. Ihm kam es so vor, als wären Gitter vor den Fenstern. Lennart ging allein, mitten in einem leeren Kreis. Er schien zu Boden zu blicken, nach etwas zu suchen. In der Hand hielt er die Schultasche aus Stoff.
Johnny wendete, fuhr an die Bordsteinkante heran und hupte mehrmals. Die Kinder drehten alle gleichzeitig den Kopf. So blieben sie stehen, während Lennart sich auf den Beifahrersitz setzte, und sie schauten dem Duett lange nach, als Johnny davonfuhr.
»Nächstes Mal nehme ich den De Soto«, sagte er.
»Kannst du nicht eine Platte auflegen?«, fragte Lennart. »Das wäre toll.«
»Lass einfach die Platte spielen, die schon drinliegt«, sagte Johnny.
Lennart schaltete das Gerät an. Sie fuhren in Richtung Ortsausgang. Die Häuser zu beiden Seiten der Esplanade waren klein, hell und viereckig, wie aufgereihter Würfelzucker. Die Hecken um jedes Haus waren zugewachsen.
Lennart sah sich um.
»Hier ist es nett«, sagte Johnny.
Lennart antwortete nicht. Aus dem Radiolautsprecher tönte der Song, Schlagzeug, Gitarre, ein trippelndes Saxophon, Stimme, A poor man wants the oyster, a rich man wants the pearl, but the man who can sing when he hasn’t got a thing, he’s the king, of the whole wide world.
»Das ist Elvis, oder?«, fragte der Junge.
»Und ob!«
Lennart nickte. Sein Hals war sehr schmal. Sonnenreflexe blitzten durch seine Haare, es sah aus, als hätte er einen kleinen Glorienschein.
»Er singt von einem König, oder?«
»Ja, gewissermaßen.«
»König der … Welt«, sagte Lennart.
»König der ganzen weiten Welt«, übersetzte Johnny.
»Ist Elvis der König?«
»Ja … so könnte man sagen.« Johnny hielt vor einem Stoppschild und bog dann auf die Landstraße ein. »Aber dieses Lied handelt wohl eher davon, dass man nicht viele Reichtümer zum Leben braucht.« Er lächelte Lennart zu.
»Manchmal genügt schon ein Lied, dass es einem gut geht.«
»Von einem Lied kann man sich aber keine Milch kaufen«, sagte Lennart.
»Hast du das schon mal probiert?«
»Ich hätte es gestern probieren sollen«, antwortete Lennart. »Auf dem Weg von der Molkerei nach Hause ist mir die Milchflasche runtergefallen, und wir hatten keine Milch.«
»Oje.«
»Es war das letzte Geld«, sagte Lennart. »Und dann lass ich die Milchflasche fallen.« Er schaute zu Johnny auf. »Sie war so glatt.«
»Das ist mir auch mal passiert«, antwortete Johnny.
Freitag, dachte er. Gestern war Donnerstag und heute ist Freitag. Heute bekommt Elisabeth ihren Lohn.
»Die Katzen haben sich bestimmt gefreut«, sagte er, »als du die Milchflasche hast fallen lassen.«
»Ich musste mir eine Schaufel im Laden leihen, damit ich die Glasscherben auffegen konnte«, erzählte Lennart.
»Das hast du gut gemacht«, sagte Johnny.
»Da liegt der Bauernhof.« Lennart zeigte in die Landschaft.
Sie fuhren denselben Weg wie beim letzten Mal, zu Moréns Strandparadies.
Der Song war zu Ende.
»Mir kommt dieses Königslied bekannt vor«, sagte Lennart.
»Du hast es bestimmt schon in der Jukebox im Café gehört«, erwiderte Johnny. »Es ist vor zwei Jahren herausgekommen, und da habe ich es dort eingelegt.« Er bog zum See ab. »Wurde Dritter auf der Hitliste.« Auf dem Weg zum Parkplatz hinauf musste er an einer Ausweichstelle anhalten, um einen Traktor vorbeizulassen. »Das war Anfang … November zweiundsechzig, glaube ich.«
»Daran kannst du dich erinnern?«, fragte Lennart.
»Weil es Elvis ist«, antwortete Johnny.
»Der König der ganzen, weiten Welt.«
»Yes.«
»Möchtest du König der ganzen Welt sein, Johnny?«
Er parkte oberhalb des Cafés. Die Stege lagen noch am Badeplatz, aber niemand badete mehr. Der August war fast vorbei und die Saison war zu Ende. Das hing nicht mehr vom Wetter ab. Ein weißer P 1800 parkte vor dem Kiosk. Die Tanzfläche lag verlassen da, und die Wurlitzer stand jetzt drinnen im Café. Die Spulen waren heiß geworden und durchgebrannt, ein schlechtes Omen für die Zukunft.
»König?«, antwortete Johnny. »Ich glaube, ich kann nicht gut genug singen.«
Lennart kicherte. In seinen
Weitere Kostenlose Bücher