Der Jukebox-Mann
wollen.
»Vater war nicht gerade beliebt im Ort«, sagte Eskil. Er nahm einen Schluck und lachte. Es klang, als wäre ihm etwas im Hals stecken geblieben. »Aber dann hätten eigentlich mehr Leute kommen müssen, um zu feiern, wie man so sagt.« Er räusperte sich und stellte das Glas auf den Tisch.
»Ich glaube, das ist der wahre Grund, wieso das Haus voll wird, wenn ein anderer abkratzt.«
»Warum glaubst du das?«
Eskil legte plötzlich die Hand vor die Augen und rieb sich die Augenlider.
»Ich weiß es nicht.«
Johnny trank wieder. Er war ganz erstaunt, als er sah, dass das Glas leer war.
Eskil nahm die Hand von den Augen.
»Man lernt, wie die Leute von vorn und hintenrum sind«, sagte er, »auf der A- und der B-Seite.«
»Manchmal ist die B-Seite besser«, sagte Johnny.
»Stimmt auch.«
»Und manchmal kann man sich täuschen.«
»Ja, bei Gott.«
»Manchmal begreift man gar nicht, warum«, sagte Johnny.
»Trinkst du noch einen, Bergman?«, fragte Eskil und sah auf das leere Glas in Johnnys Hand.
»Höchstens noch einen kleinen.«
Er hatte neben dem Duett gestanden, den er bei der Anschlagtafel geparkt hatte. Es waren fünfhundert Meter bis zum Sjögrens, und er hätte leicht hinfahren können. Er war schon hundertmal Auto gefahren, wenn er getrunken hatte, und mehr als heute Abend.
Er hatte die Autotür geöffnet und seine Tasche mit den Platten und die ewige Reisetasche herausgenommen, hatte abgeschlossen, das Gepäck hochgehoben und war über den Marktplatz gegangen.
Vielleicht bin ich ein anderer geworden, hatte er gedacht. Ich lasse das Auto stehen. Ich habe das dritte Glas abgelehnt.
Der erste und der zweite Klare hatten gar keinen Halt gefunden. Plötzlich kam ihm der Alkohol sinnlos vor. Es war dasselbe Gefühl von Sinnlosigkeit, das er im letzten Jahr empfunden hatte, aber diesmal stärker, viel stärker, da er ein Glas in der Hand gehalten und eine Flasche Branntwein auf dem Tisch gestanden hatte.
»Willst du nicht noch einen?«, hatte Eskil gefragt.
»Ich glaub, mir liegt das nicht mehr«, hatte Johnny geantwortet.
Der Duett stand noch bei der Anschlagtafel. Daran hing ein großes weißes Plakat, das die Zeltbegegnung ankündigte, die Sonntag begann, ein vier Tage währendes Beten und Singen in dem großen weißen Zelt, das schon auf der Wiese jenseits der Brücke errichtet worden war. Er hatte sie jedes Jahr gehört, wenn er dort in den letzten Augusttagen gestanden hatte, den Gesang, den Jubel, die verschiedenen Zungen. Die Schreie des Predigers: »EIN FEUER HAT BEGONNEN ZU BRENNEN UNTER DEM DACH DER VERHÄRTETEN DÄMONEN.«
Johnny hatte nach oben geblickt, wenn er das Gegröle aus dem Zelt hörte, zu einem tiefen dachlosen Himmel aufgeschaut. Er hatte dort oben keine Dämonen entdecken können. Die Dämonen befanden sich andernorts, und er war sicher, dass der Pastor keine Ahnung hatte, wo die wirklichen Dämonen waren.
Er öffnete den Kofferraum und stellte die Taschen hinein. Ein Laster schlich am Marktplatz vorbei.
Als er sich gerade hinter das Steuer gesetzt hatte, hörte er von der Schuhfabrik ein Moped heranknattern. Er sah eine Figur über die Kreuzung kommen und auf den Platz schleudern. Es war eben erst acht Uhr morgens und kein Mensch war auf dem Platz, und das war vermutlich ein Glück. Der Mopedfahrer schien ein Junge zu sein. Er trug eine gestrickte Zipfelmütze. Irgendetwas stimmte an ihm nicht.
Der Fahrer würgte den Motor ab und rollte auf Johnny zu. Das Moped sah neu aus. Es war schwarz. Der Victoria-Motor blitzte frisch geputzt.
»Hallo!«, sagte der Junge und hielt neben der offenen Autotür an.
»Hallo.«
»Wer bist du?«, fragte der Junge und kratzte sich an der Stirn unter der Mütze. »Ich bin Mats!«
»Ich bin Johnny.«
»Ich hab ein Moped!«, sagte der Junge und lächelte. Er hatte ein Lächeln, das kam und ging, kam und ging, als hörte er Sachen, die Johnny nicht hören konnte. Eine zweite Stimme im Kopf.
»Ist das dein Moped?«, fragte Johnny.
»Ich hab ein Moped!«, wiederholte der Junge. »Es heißt Rex Favorit.«
Johnny sah jetzt, dass er älter als fünfzehn war. Etwas war mit den Augen. Sie schauten überallhin, nur nicht ihn an. Das seltsame Lächeln floss hin und her über das Gesicht. Vielleicht war er aus Biskopsbo, der Klapsmühle außerhalb des Ortes. Aber dort gab es keine jungen Verrückten, soweit Johnny wusste. Und niemand von denen fuhr Moped.
»Zwei Gänge!«, sagte Mats, startete die Rex und drehte eine Runde um
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