Der Junge aus dem Meer - Roman
Lächeln auf, winkte und rief: »Hallo Delilah!«
»Nun, nun, ich muss schon sagen«, säuselte Delilah und riss beim Näherkommen ihre Sonnenbrille herunter. »Felice Cunningham meinte, im Alten Seemann sei Licht gewesen, und Teddy Illingworth hat geschworen, dass er dich gestern am Hafen gesehen hat. Da
musste
ich einfach vorbeikommen, um mich selbst davon zu überzeugen!« Sie blieb vor Mom stehen und küsste sie flüchtig auf die Wangen, während ich mich ein paar Schritte zurückzog und die Arme über der Brust verschränkte. »Amelia Blue Hawkins«, wiederholte Delilah kopfschüttelnd.
»Ich heiße immer noch Merchant«, korrigierte Mom sie sanft. »Amelia Merchant. Ich habe meinen Namen nach der Scheidung behalten. Aus beruflichen Gründen.«
»Oh«, gab Delilah zurück und wirkte dabei etwas nervös. »Natürlich. Aber wie dem auch sei.« Sie tätschelte Moms Arm. »Du siehst immer noch so hinreißend aus wie mit achtzehn. Ich hätte gedacht, dass du durch deinen Job als Ärztin in der großen Stadt mittlerweile schon völlig verwelkt wärst!« Delilah stieß ein helles Lachen aus und drehte sich dann herum, um mich in Augenschein zu nehmen. »Und das
muss
deine Tochter sein. Wieso ich das weiß? Sie ist Isadora wie aus dem Gesicht geschnitten – möge sie in Frieden ruhen«, fügte sie schnell hinzu und senkte den Kopf.
Ich war überhaupt nicht auf das plötzliche Gefühl angenehmer Überraschung vorbereitet, das mich angesichts dieses Vergleichs überkam. »Danke«, murmelte ich und trat verlegen von einem Bein auf das andere.
»Amen, Schätzchen!«, erwiderte Delilah und richtete ihre blauen, mit kräftigem Eyeliner betonten Augen auf mich. »Bedank dich bei ihr.«
»Ja, das ist Miranda«, warf Mom rettend ein. »Miranda, das ist Delilah LeBlanc Cooper aus Atlanta.« Ich erinnerte mich an den Nachnamen LeBlanc. Mom hatte erzählt, dass ihre Familie die Tradition der Erben-Party begründet hatte. »Ihr Sommerhaus liegt gleich da unten an der Straße.«
»Schon seit Generationen«, fügte Delilah in ihrem gedehnten Südstaatenakzent hinzu und legte Mom einen Arm um die Schultern; ihre blutrot lackierten Nägel sahen wie Krallen aus. »Als Kinder waren deine Mom und ich unzertrennlich. Es ist so schade, dass wir uns aus den Augen verloren haben.« Sorgfältig vermied ich, meine Mutter anzusehen – ich bezweifelte, dass sie diesen Verlust betrauerte.
»Du hast doch auch einen Sohn, oder?«, wollte Delilah jetzt von Mom wissen, die daraufhin kurzerhand erklärte, dass sich Wade bei seinem Vater in Los Angeles aufhielt.
»Tja, es macht sowieso mehr Spaß, wenn Mütter und Töchter ihre Zeit allein miteinander verbringen.« Delilah grinste erst Mom und dann mich an. »Man kann Schmuck und Lippenstifte austauschen und zusammen shoppen gehen.«
Jetzt konnten Mom und ich nicht anders, als uns anzublicken. Keine von uns trug sonderlich viel Make-up oder Schmuck, und Mom hatte nie genug Zeit zum Shoppen. Bei einer Mutter-und-Tochter-Olympiade wären wir wohl als Letzte durchs Ziel gegangen.
»Oh, da wir gerade davon sprechen!«, rief Delilah, ganz offensichtlich in der Lage, eine Unterhaltung völlig allein zu bestreiten. »Miranda, du musst meine Tochter Cecile kennenlernen. Alle nennen sie CeeCee. Sie ist fünfzehn und ein
absoluter
Schatz. Ihr beiden würdet euch bestimmt auf Anhieb verstehen.«
Meine Mutter und ich sahen uns wieder an, und Mom schien ein Lachen zu unterdrücken. Wir wussten beide: Wenn ›CeeCee‹ auch nur im Mindesten ihrer Mutter ähnelte, waren die Erfolgsaussichten auf eine Freundschaft äußerst gering.
»Und außerdem«, fügte Delilah hinzu, »könnt ihr CeeCee heute Nachmittag auf der Erben-Party kennenlernen. Ich nehme doch an, ihr habt eine Einladung bekommen?!«
Während Mom nickte und ihre Lippen schürzte, grinste Delilah mich wieder an. »Jeden Sommer haben Amelia und ich uns für die Erben-Party zurechtgemacht. Gott, wie die Jungs immer geglotzt haben, wenn wir das Restaurant betraten! Es war gar nicht verwunderlich, dass deine Mutter die Zuneigung der begehrtesten …«
»Wie? Schon fast zwölf?«, unterbrach Mom, fasste nach meinem Handgelenk und sah auf meine Uhr. Ihr Gesichtwar plötzlich rot geworden. »Miranda und ich haben noch eine Menge im Haus zu erledigen …« Mom verstummte und blickte Delilah unverwandt an.
Nein!
, hätte ich beinahe geschrieen. Leicht verzögert, aber nun auf die Folter gespannt, fing mein Herz an zu pochen. Ich wollte, dass Delilah
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