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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Saaltür auf den Flur in der Hoffnung, dass ich es rechtzeitig zur Damentoilette schaffte.

52
    In der Damentoilette war die Luft etwas besser als im Gerichtssaal, und die Übelkeit verging, doch mir war immer noch schwindelig, und am Rande meines Gesichtsfelds waberten dunkle Punkte.
    Anscheinend hatte ich mir einen Virus eingefangen. Stephanie Kellers Aussage war zwar alles andere als heiter gewesen, aber von Skwarecki und dem Gerichtsmediziner hatte ich schlimmere Details gehört.
    Ich sah in den Spiegel über den Waschbecken und bemerkte dunkle Ringe unter meinen Augen und das winterliche Grün meiner bleichen Haut. Auch wenn ich Astrid nicht im Entferntesten ähnlich sah, konnte ich wenigstens bei den Erschöpfungsanzeichen mithalten.
    Es roch nach feuchten Papierhandtüchern und billiger rosa Flüssigseife, und einen Moment wünschte ich, ich könnte mich ausruhen, träumte von einer altmodischen Chaiselongue, auf der ich mich für ein paar Minuten einrollen könnte. Bald war Mittagspause, und vom Gedanken an Essen wurde mir wieder schlecht.
    Knochen auf Knochen .
    Ich wollte nicht in den Gerichtssaal zurück, aber ich musste eine Sitzgelegenheit finden. Also verließ ich die Toilette und schleppte mich durch den Flur, doch ich fand nichts außer ein paar Bänken im Eingangsbereich.
    Ich setzte mich an die Wand, damit ich Cate sah, wenn sie zum Mittagessen ging.
    Dann schloss ich die Augen und lehnte mich zurück; mir war heiß, und ich schwitzte auf der Oberlippe.
    Na toll. Darmgrippe wahrscheinlich.
    Ich saß vielleicht zehn Minuten so da, lauschte Schritten und Stimmen, die an mir vorbeikamen, und spürte den gelegentlichen Windstoß, wenn jemand aus der Kälte hereinkam.
    »Miss Dare? Geht es Ihnen nicht gut?« Eine Frauenstimme. »Ich habe Sie durchs Fenster gesehen.«
    Vor mir stand Mrs Underhill, die Stirn in besorgte Falten gelegt.
    Mrs Underhill setzte sich zu mir und hielt mir den Handrücken an die Wange. »Fieber haben Sie keines, Liebes. Wie geht es Ihrem Magen?«
    »Nicht so gut«, sagte ich.
    »Haben Sie heute Morgen etwas gegessen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie griff in die Handtasche und nahm ein Pfefferminzbonbon heraus. »Das wird helfen.«
    Und sie hatte recht – es half.
    Jetzt, als sie neben mir saß, wollte ich nicht zugeben, dass ich wie eine Stalkerin jeden Abend Dutzende Male versucht hatte, bei ihr anzurufen.
    »Sagen Sie heute aus?«, fragte ich.
    »Noch nicht. Ich habe Angela nur ein paar Sachen vorbeigebracht, nebenan.«
    Im Untersuchungsgefängnis.
    »Kann ich Ihnen ein Glas Wasser bringen, Liebes?«, fragte sie.
    »Nein, danke.«
    Wir saßen eine Minute schweigend da, aber es war kein geselliges Schweigen. Ich sah zu, wie sie an der Schnalle ihrer Tasche herumspielte, dann hörte sie damit auf. Anscheinend versuchte sie, ihren Mut zusammenzunehmen, um mir etwas zu sagen.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Sie hielt die Tasche fester.
    Kam zu einer Entscheidung.
    »Miss Dare«, sagte sie schließlich.
    »Bitte«, sagte ich, »nennen Sie mich Madeline.«
    »Vielleicht ist dies nicht der richtige Zeitpunkt, aber da ist etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen muss.«
    »Die Verhandlung?«
    »Sozusagen«, sagte sie. »Aber es hat natürlich nichts mit Ihrer Aussage zu tun.«
    »Ich bin schon fertig.«
    »Ich will auch gar nicht wissen, was Sie gesagt haben. Nur …«
    Ich wartete.
    »Ich möchte so gerne das Richtige tun, Miss Dare. Und ich weiß nicht genau, was das ist.«
    Cate kam durch die Halle auf uns zu.
    »Würde es Ihnen helfen, wenn wir darüber reden?«, fragte ich.
    »Ja, das würde es«, sagte Mrs Underhill. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mich vielleicht noch einmal besuchen. Wenn es Ihnen besser geht.«
    Vielleicht war es das Pfefferminzbonbon oder die frische Luft nach dem stickigen Gerichtssaal, aber meine Übelkeit war verflogen.
    Und vielleicht konnte Cate uns fahren.
    »Wie wäre es jetzt gleich?«, fragte ich.
    Wir fanden direkt vor Mrs Underhills Häuschen einen Parkplatz. Der Mittagshimmel war schleimfarben, und Eisregen hagelte im schrägen Winkel auf uns herab wie ein Sperrfeuer von Leuchtspurgeschossen. Wir stiegen aus. Cate öffnete das Gartentor und hielt Mrs Underhill den Arm hin, um ihr über den vereisten Gartenweg zu helfen. Die beiden plauderten über irgendwelche Arztbesuche, die sie hinter sich hatte.
    Ich folgte ihnen und bewunderte wieder die bizarre Ästhetik der Doppelhäuser in der Straße. Kein Haus passte zu dem anderen.
    Der

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