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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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den Anfang nicht mit, weil Cate sich zu mir lehnte und mir ins Ohr flüsterte: »Wollte Galloway wirklich darauf hinaus, dass hier eine Art Lynchjustiz betrieben wird?«
    Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Um die Angeklagten des Totschlags für schuldig zu befinden«, sagte der Richter, »müssen Sie …«
    Cate unterbrach mit einem geflüsterten »Warum Totschlag und nicht Mord?«.
    Der Gerichtsdiener funkelte in unsere Richtung, aber wir waren nicht die Einzigen, die dem ehrwürdigen Richter die Sendezeit streitig machten. In der Menge zischelte und brodelte es.
    »Ruhe!« Der Richter ließ den Hammer auf den Tisch krachen. »Wenn die Zuschauer sich nicht sofort benehmen, lasse ich den Saal räumen.«
    Schuldbewusst hielten wir alle die Klappe.
    Der Richter fuhr fort, wo er aufgehört hatte.
    Cate griff in ihre Tasche und zog einen Kuli und einen Notizblock heraus.
    »Müssen Sie Absicht oder Vorsatz feststellen«, fuhr der Richter fort, »was bedeutet, dass …«
    Cate pikte mir ins Knie und ich sah nach unten.
    Sie hatte auf eine alte Quittung gekritzelt: Ich verstehe nicht, warum es kein Mord ist .
    Ich nahm ihr den Kuli ab und schrieb: Mord gilt nur bei besonderer Verwerflichkeit. Habgier, Heimtücke oder besonderer Grausamkeit.
    »Um einen der Angeklagten oder beide der fahrlässigen Tötung für schuldig zu befinden«, sagte der Richter, »müssen Sie …«
    Cate riss mir den Kuli aus der Hand und schrieb: Wie kann der Tod eines Kindes nicht als besonders heimtückisch und grausam gelten?
    Ich schrieb darunter: Wem sagst du das!! , während der Richter zu erklären begann, dass Angela Underhill außerdem eine Strafe drohe, weil sie bei der Vermisstenanzeige falsch ausgesagt habe.
    Der Auftrag des Richters an die Jury war viel schneller formuliert, als ich angemessen fand, in Anbetracht der Anklagepunkte, die gegen Albert und Angela vorlagen. Wie konnte jemand die Ungeheuerlichkeit der Ereignisse in weniger als zehn Minuten zusammenfassen?
    Der Gerichtsdiener rief: »Erheben Sie sich«, und Cate warf den Kuli und den Zettel zurück in die Tasche, bevor wir aufstanden.
    Ich sah zu, wie sich der Richter erhob und ging, dann gingen auch die Geschworenen.
    Kaum waren sie weg, erfüllte aufgestautes Gemurmel den Saal.
    Ich sah Cate an. »Was jetzt?«
    »Ich schätze, wir müssen warten.«
    »Vergiss es«, sagte ich. »Komm, wir gehen und nerven Louise Bost.«
    Die Staatsanwältin erlaubte uns, auf dem Weg zurück zu ihrem Büro hinter ihr herzutrotten.
    »Ich will nur die Unterlagen auf den Schreibtisch werfen und ein, zwei Anrufe erledigen«, sagte sie. »Dann ziehe ich die verdammten Stöckelschuhe aus und leg die Füße hoch.«
    Louise Bost wartete, bis Cate und ich uns ins Gästeregister eingetragen und uns die Namensaufkleber an die Brust geklebt hatten.
    »Ist Kyle da?«, fragte ich.
    Louise Bost wandte sich an die Empfangsdame. »Haben Sie ihn gesehen, Therese?«
    »Vor fünf Minuten«, erklärte die Frau. »Schauen Sie in seinem Büro vorbei.«
    Als wir den Kopf in seine Tür steckten, sah Kyle auf und nickte. Er zeigte auf das Telefon, das er ans Ohr gedrückt hielt, und gab uns mit Daumen und Zeigefinger ein Zeichen, dass er gleich zu uns stoßen würde.
    Louise Bost nickte und ging weiter, Cate und ich folgten ihr.
    »Jetzt bleibt uns nichts als abzuwarten, bis die Geschworenen so weit sind?«, fragte Cate in Louise Bosts Büro, als wir uns alle drei die Schuhe abgestreift hatten.
    »Das ist der schwerste Teil«, antwortete sie. »Wird auch nie leichter.«
    »Haben Sie irgendeine Vermutung, wie die Entscheidung ausfällt?«, fragte ich.
    Die Staatsanwältin lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Man weiß nie, wie sich die Geschworenen entscheiden werden. Das macht es ja so schwer.«
    »Sie werden Ms Galloways Lynchrede doch nicht ernst nehmen, oder?«, fragte Cate. »Das war das Allerletzte.«
    »Keine Ahnung, ob sie damit jemand umstimmen konnte«, erklärte Louise Bost, »aber es war schlau von ihr, darauf hinzuweisen, wie dürftig die Beweislage gegen Williams aussieht.«
    »Aber das Ganze ging doch an die Adresse der Afroamerikaner unter den Geschworenen, oder?«, fragte ich.
    »Sicher«, sagte Louise Bost, »oder auch an jeden anderen.«
    Kyle klopfte an die Tür.
    »Wie ist dein Schlussplädoyer gelaufen?«
    »Daumen drücken«, sagte Louise Bost.
    »Toi, toi, toi«, sagte Cate und hielt den Daumen hoch, »ich fand jedenfalls, Louise war super.«
    »Wie lange dauert so was?«, fragte

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