Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
aus einer privilegierten Familie und hat studiert, die andere hat nichts als den Highschool-Abschluss.«
Hetzler blieb abrupt stehen und sah die Geschworenen an.
»Sie dürfen raten, welcher der beiden Frauen die Gnade des Staates New York zuteilwurde, meine Damen und Herren.«
Er drehte sich zu Louise Bost um und funkelte sie an.
»Raten Sie.«
Als Albert Williams’ Anwältin an der Reihe war, gab sie sich keine Mühe, Hetzlers bedächtige Theatralik nachzuahmen. Sie sprang auf, empört im Namen ihres Klienten.
»Sie haben Angela Underhills Version gehört, wie ihr Sohn zu Tode kam. Sie haben die Aussage einer Nachbarin gehört, die unter Schmerzen litt und unter starken Medikamenten stand. Sie haben die Worte einer Frau gehört, die drei Generationen Familientragödien hinter sich hat und verzweifelt das Leben ihres letzten Nachkommens retten wollte.«
Sie hielt inne.
»Das Einzige, was Sie nicht gehört haben, ist die Aussage von Albert Williams zu seiner eigenen Verteidigung. Ich muss Sie hiermit daran erinnern, dass Sie dies nicht gegen ihn verwenden dürfen. Seine Entscheidung, nicht auszusagen, ist weder Schuldbekenntnis noch Unschuldsbehauptung. Das wurde Ihnen als Geschworene zu Anfang der Verhandlung hinreichend erklärt. Und es ist immer noch gültig. Und jetzt sage ich Ihnen, was Sie einbeziehen müssen .«
Sie hielt einen Finger hoch.
»Erstens, bedenken Sie, dass Angela Underhill immenses Interesse daran hat, Sie zu überzeugen, dass sie nichts mit der Misshandlung oder dem Tod ihres Sohnes zu tun hatte. Sie ist die einzige echte Augenzeugin. Können wir uns auf ihr Wort verlassen, können wir sie als neutrale Zeugin betrachten? Nein, das können wir nicht.«
Jetzt hielt sie zwei Finger hoch. »Zweitens, wir haben die Aussage von Stephanie Keller, einer ehemaligen Krankenschwester. Ms Keller hat nie gesehen , wie Albert Williams Teddy Underhill misshandelt hat. Sie hat nie gesehen , wie er das Kind schlug oder wie er dem Jungen auch nur ein Haar krümmte. Als Ms Keller Teddys Mutter nach den Verletzungen fragte, was tat Angela Underhill da? Sie floh,zog aus und weigerte sich, weiter mit Stephanie Keller zu reden.«
Galloway hielt drei Finger in die Luft. »Drittens haben Sie die Aussage von Mrs Elsie Underhill gehört – verwitwet, ein aufrechtes Mitglied unserer Gemeinde –, die ihre Enkelin, nachdem diese verwaist war, selbst aufzog. Stellen Sie sich das vor, meine Damen und Herren – stellen Sie sich vor, was für Mrs Underhill auf dem Spiel steht. Mrs Underhill hat ihren Mann verloren, sie hat ihre Tochter verloren, sie hat ihren Urenkel verloren. Die einzige Angehörige, die sie auf dieser Welt noch hat, ist Angela Underhill – und das ungeborene Kind, das Angela unter dem Herzen trägt.«
Galloway streckte nachdrücklich die drei Finger vor.
»Werte Geschworene, bedenken Sie die Tragödien, die Mrs Elsie Underhill erlebt hat, und dann fragen Sie sich, ob es Elsie Underhill möglich war, das letzte verbliebene Mitglied ihrer Familie zu verdammen. Wäre sie wirklich in der Lage gewesen, in den Zeugenstand zu treten und zu sagen, wer den kleinen Teddy in Wahrheit misshandelte?« Sie machte eine kleine Pause.
»Angela Underhill. Stephanie Keller. Mrs Elsie Underhill«, fuhr sie fort und betrachtete ihre drei ausgestreckten Finger. »Sie haben die Aussagen dieser drei sogenannten Zeuginnen gehört, werte Geschworene …« Galloway ließ die Hand einfach fallen. »Aber Sie haben keinen einzigen Fakt gehört.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Mein Kollege Mr Hetzler möchte, dass Sie sich an die Fakten halten, aber gibt es denn Fakten in diesem Fall?«, fragte sie. »Es gibt nur einen: Teddy Underhill ist tot.«
Galloway trat vor die Geschworenenbank.
»Wir wissen nicht, wer ihn umgebracht hat. Wir haben keine eindeutigen Beweise. Die Ermittlungen haben nichts erbracht, der Obduktionsbericht hat nichts weiter zutage gefördert. Mr Hetzler und Ms Bost wollen, dass AlbertWilliams aufgrund der Aussage einer Drogensüchtigen verurteilt wird. Einer Frau, die so unmoralisch, so unmenschlich ist, dass sie ihr eigenes Kind verkaufen wollte, um an Geld für Drogen zu kommen. Einer Frau, die log und log und log, wann immer es günstig für sie war.«
Galloway wartete einen Moment, das Kinn erhoben.
»Sorgen Sie dafür, dass sie damit nicht durchkommt.«
61
Als Galloway an ihren Platz am Verteidigungstisch zurückging, begann der Richter mit seinen Anweisungen an die Geschworenen.
Ich bekam
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