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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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gehört, dass Albert Williams den Jungen wiederholt misshandelt und schließlich zu Tode geprügelt hat. Angela Underhill hat ausgesagt, dass sie sah, wie er ihm Verletzungen zufügte. Stephanie Keller hat ausgesagt, dass sie hörte, wie Williams das Kind anschrie, wie er es schlug, und sogar, wie der Junge schrie, wenn er geschlagen wurde. Mrs Elsie Underhill hat ausgesagt, dass sie die Verbrennung auf Teddys Rücken sah, am Tag vor seinem Tod.«
    Hetzler ließ die Hände sinken und ging ein paar Schritte auf die Geschworenenbank zu.
    »Haben diese drei Frauen die Wahrheit gesagt?« Er sah jeden der Geschworenen einzeln an. » Ich glaube schon. Ich glaube, dass Teddy Underhills Verletzungen von einer Person stammten: von Albert Williams.«
    Jetzt zeigte er mit dem Finger auf Teddys Mörder und unterstrich damit jedes Wort, das folgte.
    »Ich glaube, dass der Mann, der hier vor Ihnen sitzt – ein Mann, der an die einhundert Kilo wiegt und knapp einen Meter neunzig groß ist –, ein dreijähriges Kind ohne jede Gnade verprügelte, wann immer ihn die Lust dazu überkam, und ihn damit körperlich und seelisch misshandelte. Ich glaube, dass Albert Williams ein böser Mensch ist, ein Feigling, ein Schläger.«
    Er wartete einen Moment.
    »Die Fakten dieses Falles – hier ist noch einer: Der Gerichtsmediziner schätzt, dass Teddy Underhill zum Zeitpunktseines Todes etwa dreizehn Kilo wog und neunzig Zentimeter groß war. Uns allen ist klar, dass er sich niemals gegen die gewalttätigen Übergriffe von Albert Williams hätte verteidigen können. Wir müssen uns fragen, warum Teddys Mutter nicht eingegriffen und ihn verteidigt hat, oder?« Hetzler warf einen Blick über die Schulter zu Angela. »Hier ist noch ein Fakt: Angela Underhill ist einen Meter sechzig groß. Vor der Schwangerschaft hat sie etwa knapp fünfzig Kilo gewogen. Sie war Williams körperlich nicht gewachsen.«
    Hetzler verschränkte die Arme.
    »Die traurige Wahrheit ist, sie war Williams auch seelisch nicht gewachsen. Wir können sie dafür verachten , dass sie ihren Sohn nicht geschützt hat, aber wir müssen in Betracht ziehen, dass sie als Kind selbst irreparable, schreckliche, tief gehende Schäden erlitten hatte. Mrs Elsie Underhill hat davon berichtet, wie Sie sich erinnern werden. Sie sagte, dass der Mann, der Angelas Mutter getötet hatte, auch etwas in Angela getötet hat.«
    Hetzler verschränkte die Hände hinter dem Rücken und machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Angela war gezwungen, eine fürchterliche, vernichtende und falsche Lektion zu lernen, in der langen dunklen Nacht, als sie unter der Leiche ihrer Mutter eingeklemmt dalag: Sie lernte, dass man den Versuch, sein eigenes Kind zu verteidigen, nicht überlebt. Sie lernte, dass der Versuch, zwischen einen rasenden Liebhaber und das Kind zu gehen, nur ein einziges Ergebnis nach sich ziehen konnte, und das war der eigene Tod.«
    Er nickte wieder und sah zur Decke.
    »Wir können sie verachten. Wir können uns einreden, dass wir stark genug gewesen wären, um anders zu handeln. Aber wir können ihr ihre Schwäche nicht anlasten. Angela Underhill trug einen derart weitreichenden psychischen Schaden davon – mit neun Jahren, als ihre Muttervor ihren Augen erschossen wurde –, dass sie nicht in der Lage war, ihr eigenes Kind vor Albert Williams zu schützen.
    Vor drei Jahren wurde ein anderes Kind von einem bösen, feigen Schläger ermordet. Das Kind hieß Lisa Steinberg, und ihr Adoptivvater schlug sie, bis sie ins Koma fiel. Dann ging er mit Freunden essen, und seine Lebensgefährtin Hedda Nussbaum tat nichts, um der kleinen Lisa zu helfen.
    Fünf Stunden lang war Hedda Nussbaum mit der kleinen Lisa allein in der Wohnung – fünf Stunden, in denen sie den Krankenwagen hätte rufen können oder einen Freund oder einen Arzt. Sie tat nichts dergleichen. Und doch entschied der Staat New York, dass sie nicht für Lisas Tod verantwortlich war, weil sie selbst derart misshandelt worden war, dass sie nicht über das Urteilsvermögen verfügte, das nötig war, um ihre Adoptivtochter zu retten.«
    Hetzler begann langsam auf und ab zu schreiten, als würde er über das Gewicht seiner Worte nachdenken.
    »Zwei Frauen, die in gleichem Maß unter häuslicher Gewalt zu leiden hatten, zwei Frauen, die in gleichem Maß geschädigt waren, die in gleichem Maß unfähig waren, im Angesicht der Tragödie eine normale menschliche Reaktion zu zeigen. Eine ist weiß, die andere ist schwarz. Die eine stammt

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