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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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ich. »Bis die Geschworenen fertig sind?«
    »Heute passiert nichts mehr«, sagte Kyle. »Ich wette, die Sache dauert eine Weile.«
    »Und wie lange dauert eine ›Weile‹ normalerweise?«, fragte Cate.
    »Ich glaube nicht, dass sie sich vor dem Wochenende geeinigt haben«, sagte Louise Bost.
    Kyle sah mit geschürzten Lippen zur Decke. »Ich tippe auf Mittwochvormittag.«
    »Dein Wort in Gottes Ohren …«, murmelte Louise Bost.
    »Länger ist besser?«, fragte Cate.
    »Länger heißt, sie geben sich ernsthaft Mühe, das Richtige zu tun«, sagte Louise Bost.
    » Nächsten Mittwoch?«, fragte ich.
    »Hast du was Besseres vor?«, fragte Kyle.
    »Nur so eine Hochzeit, wo ich hinmuss.«
    »Irgendjemand, den ich kenne?«, fragte Kyle.
    »Meine Mutter.«
    » Masl-tów «, sagte er.

62
    Am nächsten Morgen arbeitete ich wieder bei The Catalog. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Zu Hause auf das Urteil zu warten wäre die reinste Folter gewesen. Ich musste ständig an den toten Gangster denken, und mein Arm juckte höllisch in dem schmuddeligen Gips.
    Gegen zehn ging Yumiko ans Telefon. »Jemand für dich«, sagte sie und drückte auf die Wartetaste. »Kyle. Leitung zwei.«
    Ich dachte daran, was Louise Bost gestern gesagt hatte – dass länger besser war.
    Nicht gut.
    Ich griff nach dem Hörer und drückte auf die blinkende Taste.
    »Das kann nichts Gutes verheißen«, sagte ich. »Du hast auf Mittwoch getippt.«
    »Es geht nicht um die Geschworenen«, sagte Kyle.
    »Ach, du rufst an, weil du mich vermisst?«
    »Ich rufe an, um dir zu sagen, dass Teddys Mutter gestern ins Krankenhaus kam.«
    Ich hielt die Luft an.
    »Es ist ein Mädchen, Maddie«, sagte er. »2800 Gramm.«
    Ich heulte los.
    »Maddie?«, fragte er. »Alles in Ordnung?«
    »Nein.«
    »Hey … es tut mir so leid.«
    Ich schniefte. »Das ist so abartig.«
    »Ich weiß.«
    »Was passiert jetzt?«
    »Mit dem Urteil?«
    »Mit allem«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich warten die Geschworenen nicht auf sie.«
    »Bis sie entlassen wird?«
    »Es war ein Kaiserschnitt. Ich weiß nicht, wie lange so was dauert.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
    »Sie verkünden das Urteil, wenn sie sich einig sind.«
    »Und was passiert, wenn Angela nicht da ist?«
    »Kommt auf das Urteil an. Wenn sie nicht verurteilt wird, ist es egal.«
    »Und wenn doch?«
    »Ich weiß es nicht. So was habe ich bei einer Verhandlung noch nie erlebt.«
    Wir schwiegen einen Moment.
    »Ein Mädchen«, sagte ich. »Das ist echt unfassbar.«
    »Ich muss los. Louise meldet sich später, okay?«
    »Ja«, sagte ich. »Danke.«
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ich lebe«, sagte ich. »Besser wird’s nicht, oder?«
    »Denk dran, ich denke an dich, okay? Mach früher Feierabend. Ruf an, wenn du was brauchst.«
    »Mach ich«, sagte ich. »Danke.«
    Ich legte auf und sah aus dem Fenster in den Luftschacht.
    Es schneite. Schon wieder.
    Dann drehte ich mich mit dem Stuhl zu Yumiko um. »Es ging nur um den Prozess.«
    »Draußen in Queens?«
    »Ja.«
    »Was ist? Sind die Arschlöcher freigesprochen worden?«
    »Schlimmer«, sagte ich.
    »Was kann schlimmer sein?«
    »Die Mutter hat noch ein Baby bekommen. Gestern Nacht.«
    »Oh«, sagte sie. »Das ist krass.«
    »Ja. Ist es.«
    Plötzlich tauchte Pagan auf. »Hast du heute Mittag schon was vor?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete ich.
    »Hey«, sagte sie. »Weinst du?«
    »Schon erledigt. Glaube ich.«
    »Was ist passiert?«
    »Die Frau aus dem Prozess, sie hat noch ein Baby bekommen«, erklärte Yumiko.
    Pagan lächelte mich mitfühlend an. »Und ich bin hier, um noch eins draufzusetzen.«
    »Ich weiß nicht, ob du das schaffst«, sagte ich.
    »Wir müssen unsere Brautjungfernkleider bei Laura Ashley aussuchen«, sagte meine Schwester mit einer Grimasse.
    »Oh Gott«, seufzte ich. »Du hattest recht.«
    »Wer zum Teufel ist Laura Ashley?«, fragte Yumiko.
    »Vertrau mir«, sagte Pagan, »das willst du nicht wissen.«
    »Irgendeine ätzende weiße Tussi«, stellte Yumiko fest.
    »Ungefähr die ätzendste weißeste Tussi, die es je gegeben hat«, erklärte Pagan.
    »Und dann noch schlimmer«, sagte ich.
    »Nur gut, dass ihr da hinmüsst und nicht ich.« Yumiko schauderte.
    »Ausgerechnet Laura Ashley «, sagte Pagan. »Was für ein Scheiß.«
    Wir standen im Eingang des Ladens an der Upper East Side.
    Ich ließ den Blick durch die rüschenbesetzten, mit wattiertem Luxus ausgestattete Boutique schweifen, und nichts kam mir

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