Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
hütete.«
»Bis heute Abend«, sagte er.
Ich antwortete nicht.
Dies wäre für Dean der perfekte Augenblick gewesen, mir in die Augen zu sehen und zu rufen: »Fürchte dich nicht, Bunny, ich hüte die ewige Flamme deines inneren Batmans!«
Nicht zuletzt, weil es genau dieser tiefe, unerschütterliche Glaube war, den ich an ihn hatte.
Stattdessen tätschelte er mir noch einmal das Knie und sagte: »Teenager-Depri-Romantik. Du kannst nicht erwarten, dass so was hält.«
Er war eben doch nur ein Mann. Und anders als seine Frau war er erwachsen.
Schweigend fuhren wir weiter, bis wir die Schotterpiste zwischen den Hecken erreichten.
Es war neun. Das Haus lag im Dunkeln, die Jeeps waren noch nicht zurück.
Ich stellte den Motor aus und zog den Schlüssel ab.
Du bist siebenundzwanzig Jahre alt, Madeline. Vielleicht solltest du aufhören, an Peter Pan zu glauben.
27
Dean schützte Müdigkeit vor und ging ins Bett. Ich streifte im Wohnzimmer die Schuhe aus und machte einen Fallrückzieher auf die Couch. Es war erst Viertel nach neun, aber ich machte kein Licht. Schließlich gab es kein einziges Buch im Haus und nicht mal einen Fernseher.
Ich hatte die Nase voll von Town & Country , aber ich war so verzweifelt, dass ich fast nach oben gegangen wäre, um mir ein paar Shampooflaschen aus dem Bad zu holen, damit ich wenigstens ein paar Werbetexte zu lesen gehabt hätte: Schlaff, stumpf und glanzlos? Waschen, spülen, wiederholen.
Die Wirkung der Martinis ließ nach. Schließlich folgte ich Dean doch nach oben und kroch neben ihm ins Bett, aber er schlief schon.
»Was?«, fragte ich. »Keine heiße Affenliebe?«
Er schnarchte ein bisschen und drehte sich weg.
Ich versuchte, mich unter der Decke einzugraben und die Augen zu schließen, aber nach ein paar Minuten war klar, dass der Sandmann nicht im Anmarsch war.
Es gab wenig, das deprimierender war, als im Dunkeln wach zu liegen und sich nach dem seligen Schlaf der Person neben einem zu sehnen.
Also stand ich wieder auf, zog die Jeans an und ging leise runter in die Küche, um ein Glas lauwarmes Leitungswasser zu trinken, und dann noch eines – das Ritual, um Astrid und Cammy am Morgen nicht verkatert entgegentreten zu müssen. Der nächste Tag würde auch so beschissen genug anfangen.
In der Küche hing ein Telefon an der Wand, dessen Nummerndisplay ein schwaches Licht aussandte. Ich wählte die Nummer unserer WG in der Hoffnung, gesprächstechnisch gerettet zu werden, aber ich legte auf, bevor sich nach dem siebten Klingeln der Anrufbeantworter einschaltete.
Mom war auf dem Weg von Maine wahrscheinlich irgendwo in Connecticut. Außerdem war ich noch nicht bereit, mit ihr zu sprechen. Sonst fiel mir niemand ein, der in New York an einem Samstagabend zu Hause sein könnte.
Inzwischen war es zehn. Ich schob die Hand in die Jeanstasche und zog mein Portemonnaie heraus, dann öffnete ich den Eisschrank, um in seinem Licht die Nummer auf Skwareckis Visitenkarte zu entziffern.
Ich wählte 7-1-8- und eine Reihe von Zahlen, die mich zu ihrem Apparat durchstellten.
Es klingelte einmal. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Boden.
»Mordkommission. Skwarecki.«
Im Hintergrund waren Stimmen und das Rattern einer Schreibmaschine zu hören.
»Hallo, hier ist Madeline Dare. Störe ich?«
»Nicht viel los hier. Nur ich und die Jungs, die sich aufwärmen – Schläger schwingen, sich den Schlamm aus den Stollen klopfen.«
»Cool«, sagte ich.
»Sie klingen nicht froh.«
»Mir ist langweilig. Weiß auch nicht.«
»Wo sind Sie?«
»Long Island. Ich fühle mich wie beim Arschloch-Fernsehmarathon.«
Sie lachte. »Findet der jährlich statt?«
»Das ganze Jahr, glaube ich.«
»Muss scheiße sein, in Ihrer Haut zu stecken, was?«
»Gibt Schlimmeres«, sagte ich. »Ich könnte an einer Hungersnot krepieren, während mir die Fliegen auf den Augenlidern rumkrabbeln.«
»Hör sich einer unsere Little Miss Sunshine an.«
»Tut mir leid. Ich hatte nicht angerufen, um Sie vollzuheulen.«
»Sie haben nicht gerade 1-800-Heile-Welt gewählt, Schätzchen. Wahrscheinlich ist das der heiterste Anruf, den ich heute Nacht bekomme. Wenigstens sind Sie nicht tot, und Sie rufen auch nicht an, um eine Leiche zu melden. Wir sind also beide gut dran.«
»Sie müssen es doch hassen, bei der Arbeit ans Telefon zu gehen, oder?«
»Weniger als Berichte schreiben«, antwortete sie.
»Wie sind Sie eigentlich bei der Mordkommission gelandet?«
»Schicksal vielleicht«, sagte sie.
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