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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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Minuten vor Schluss, und dann wartete ich draußen darauf, dass er rauskam.
    Nein, auf ihn gewartet habe ich nicht, ich meine, ich wollte nicht, dass er mich sieht. Wir hatten nichts geplant. Um genau zu sein, wartete ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, sodass ich mich, wenn er herauskam, sofort ducken und hinter einem Auto verstecken konnte. Ich stand da und zitterte. Ich habe mich total geschämt, weil ich das gemacht habe. So was passt einfach nicht zu mir. Nun ja, wie es aussieht, passt es eben doch.
    Wie auch immer, im nächsten Moment habe ich dann gesehen, wie Clem aus dem Haupteingang der Schule kam. Nur war er nicht alleine. Ich dachte: Du hinterhältiger, kleiner … Und das auch noch genau vor der Schule! Ich war nicht mehr bei mir. Ich war total durchgedreht. Eine Hälfte von mir wollte zu ihnen hinrennen und die Sache auf der Stelle austragen. Gott sei Dank habe ich das nicht gemacht. Aber ich fühlte, wie ich vor Wut die Kontrolle verlor. Meine Hände schwitzten, und ich ballte sie zu Fäusten. Komisch war nur, dass da trotzdem noch diese kleine Stimme in meinem Kopf flüsterte: Was machst du hier eigentlich, Rosie? Du machst dich total zum Trottel. Wenn er dich erwischt, ist Schluss, aus, basta.
    Also versteckte ich mich hinter dem Auto und als Nächstes sah ich, dass sie in meine Richtung gingen. Au Scheiße, au Scheiße, habe ich gedacht, und dann wurde mir klar, dass ich mitten auf einer Straße stand, in der die Lehrer ihre Autos parken. Sie waren mir schon so nahe, dass ich hören konnte, was sie redeten. Clem hat sie gefragt, wie viele Zitate er in seinem Aufsatz benutzen sollte. Das muss man sich mal vorstellen!
    Zu der Zeit habe ich mich immer wieder um dieses geparkte Auto rumgedrückt, damit sie mich nicht sehen konnten. Aber sie haben mich nicht gesehen. Das Auto, hinter dem ich war, stand neben dem, wo sie waren. Und dann passierte etwas Komisches: Sie haben überhaupt nichts mehr gesagt. Sie haben einfach nur dagestanden und nichts gesagt, und das ging eine Ewigkeit lang so weiter. Ich dachte: Mann, beeilt euch mal und geht, denn meine Beine brachten mich fast um, so wie ich da hinter dem Auto hockte. Aber sie sagten nichts, bis Croal das Schweigen brach: »Kann ich dich irgendwohin mitnehmen?«, fragte sie.
    Und dann schwiegen sie wieder, bis diesmal Clem es unterbrach und zu ihr sagte: »Nein, danke, ich komme schon klar.« Oder so was in der Art. So ist es gut, dachte ich. Braver Junge.
    Dann ging er nach Hause, und sie fuhr in ihrem Auto davon … nein, ich kann mich nicht erinnern, was für eine Marke es war. Ich kenne mich mit Automarken echt nicht gut aus.
    Als ich nach Hause kam, war ich fix und fertig, weil ich das gemacht hatte. Aber letzten Endes kam dadurch der ganze Scheiß in meinem Kopf mal eine Weile zur Ruhe. Also war es zwar ein übles Ding, aber es hatte auch sein Gutes. Sie wissen schon, was ich meine. Es bestätigte alles für mich.
    Danach ging es mir super. Auf seltsame Weise hat uns das noch näher zusammengebracht. Ich wollte ihm vertrauen, und ich wusste, dass er mir vertraute. Die Gerüchte brodelten noch immer, aber wen kratzte das schon?
    Gewundert hat mich, dass nie jemand was zu ihr gesagt hat. Andere Lehrer, meine ich. Oder warum sie überhaupt noch zur Schule kam. Nicht, dass sie nicht hätte zur Schule kommen dürfen, weil sie etwas falsch gemacht hätte. Ich an ihrer Stelle hätte nur einfach diese Leute nicht mehr ertragen können, die mich die ganze Zeit anglotzten. Der Stress hätte mich total irre gemacht. Sie muss Nerven aus Stahl haben, das muss ich ihr lassen, so wie sie sich trotzdem weiter in dieser Schule sehen ließ … denn gelästert wird ja nun mal über jeden … nein, nicht über jeden, aber Sie wissen schon, was ich meine. Und dann änderte sich das alles, nicht wahr?
    Am Anfang hat Clem nichts gesagt, aber ich wusste, dass er Probleme hatte. Das ist ja nichts Neues. Jeder, der es wagt, ein kleines bisschen anders zu sein, der eine bestimmte Art von Musik mag oder Klamotten in einem bestimmten Stil trägt oder auch nur eine andere Frisur als die anderen trägt, kriegt Probleme. Man darf es sich eben nicht erlauben, anders als alle anderen zu sein. Alle müssen die gleichen Sachen mögen, die gleichen Sachen unternehmen, in die gleichen Lokale gehen, die gleichen Ansichten haben, die gleichen Interessen und das gleiche Niveau von Gemeinheit. Schulen sind seltsame Orte, denn jeder ist nicht mehr als ein Klon von dem anderen.

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