Der Junge, der es regnen liess
unternehmen, um seine Familie zu schützen. Und dann das. Man kommt doch nicht umhin, sich zu fragen, was geschehen wäre, wenn der Arbeitsmarkt hier sicherer gewesen wäre. In einer idealen Welt hätte Clem seine Schulbildung bei uns fortsetzen können, doch leider umfasst unser Stipendium den Internatsbetrieb nicht mit. Vielleicht sollte darüber noch einmal nachgedacht werden.
Ich fand, er passte gut an die Schule, als er hierherkam. Natürlich war er anders, und wir sind uns der Probleme bewusst, die Schüler in Clems Lage verursachen können. Damit meine ich, wir mussten die Schüler um ihn herum im Auge behalten. Damit er nicht isoliert oder innerhalb der Klasse ausgeschlossen wurde. Damit die Stipendiaten nicht anders behandelt werden als die anderen Schüler … natürlich rede ich hier von Mobbing. Diese Seuche kommt hier genauso vor wie an öffentlichen Schulen. Manch einer mag sogar sagen, an Schulen wie der unseren hat es eine besonders durchschlagende Wirkung. Bedenken Sie, unsere Schüler verfügen über sämtliche intellektuellen und psychologischen Fähigkeiten, um denen, die sie für minderwertig halten, tiefen Schaden zuzufügen. Es ist eine entsetzliche Neigung, die manche Menschen, die reich geboren werden, ihr Leben lang mit sich herumtragen. Man möchte sich wünschen, dass diese Neigung, diese Überheblichkeit sie eines Tages zu Fall bringt. Ich freue mich, berichten zu können, dass es in vielen Fällen tatsächlich so kommt.
Clem war von alledem frei. Hatte er durch irgendwen zu leiden? Eines lässt sich mit Sicherheit über Clem Curran sagen: Er ließ sich nichts gefallen. Die, die versuchten, Gift und Galle zu verspritzen, wurden schnell und wirkungsvoll in ihre Schranken verwiesen. Akademisch war Clem seinen Altersgenossen turmhoch überlegen. Er war für so viele von uns ein Symbol der Hoffnung – ein Zeichen, dass man Persönlichkeit und Intelligenz zugleich im Übermaß besitzen kann. Sehen Sie, mit Geld kann man eben nicht alles kaufen.
Nichtsdestotrotz gab es natürlich den ein oder anderen Zusammenstoß, aber nichts allzu Ernstes und nichts Unangemessenes. Sein Temperament erschien ausgeglichen. Nein, ich hätte ihn nicht als berechnend beschrieben. Er war ein normaler junger Mann. Ich hätte ihn auch nicht für einen Einzelgänger gehalten und noch weniger für einen extrovertierten Menschen. Er hielt eine Armlänge Abstand von seinen Altersgenossen, aber er war gesellig und liebenswert.
Er hatte im Leben seine Richtung gefunden.
Lediglich ein Vorfall fällt mir wieder ein, doch der war wirklich so unbedeutend, dass er kaum der Erwähnung wert ist. Clem musste getadelt werden, weil er einen anderen Jungen geschlagen hatte. Es war nicht viel mehr als ein Klaps, wie gesagt, nichts Erwähnenswertes. Ich glaube, der andere Junge hatte zuerst seinen sozialen Hintergrund und dann seine sexuelle Orientierung angezweifelt. Allem Anschein nach ging das schon eine Weile so, und Clem war der Geduldsfaden gerissen, also hatte er ausgeholt und dem anderen Jungen eine gescheuert. Man könnte sagen, sein Zorn hatte über seine Vernunft gesiegt.
Die Kommentare hörten sofort nach dem Vorfall auf. Wenn man seine Handlungsweise hinterfragt, muss man überlegen, ob sie im Hinblick auf die intensive und systematische Art der Provokation nicht gerechtfertigt war. Mein Rat, wie ich ihn Schülern, die Opfer solcher Vorfälle wurden, über Jahre hinweg gegeben habe und den manche Experten für unprofessionell halten mögen, lautete immer: Ihr habt zwei Optionen. Erstens, informiert einen Lehrer. Das wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Provokation oder das Mobbing, wenn Ihnen das lieber ist, weitergeht oder sogar eskaliert. Und zweitens, schlagt den Täter so fest, wie ihr könnt, mit oder ohne Vorwarnung. Meiner Überzeugung nach nahmen die Hetzjagd und die Diskriminierung nach Option zwei ein Ende.
Ja, ich habe Clem zu der Zeit diesen Rat gegeben. Anschließend entschied er sich für Option zwei. Die Probleme, die er hatte, nahmen ein Ende, und die Schule wurde für ihn wieder zu einem angenehmen Aufenthaltsort. Meine Methoden mögen zwar als eigenwillig oder ungewöhnlich empfunden werden, aber ich würde Sie gern fragen: Hatte ich unrecht? Im Hinblick auf das, was geschehen ist, könnte man sagen, mein Urteilsvermögen erscheint ein bisschen fraglich. Ich habe darüber wieder und wieder nachgedacht. Ob ich für das, was geschehen ist, so etwas wie Verantwortung
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