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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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zuversichtlich, dass die ganze Sache sich in Wohlgefallen auflösen wird, wenn alles erst mal ans Licht kommt. Ich mache mir nicht allzu große Sorgen, denn früher oder später werden sie schon die Wahrheit herausfinden. Hier kann man ja kein Geheimnis für sich behalten.
    Schlimm ist nur, dass mir übel wird, wenn ich an meine Rosie denke, die an diesem Ort bleiben und Tag für Tag Frage um Frage beantworten muss. Sogar ich musste eine Menge Fragen beantworten, aber das arme Mädchen hat das alles wieder und wieder wiederholt, bis ihr Mund fusselig war.
    Und wo sind seine Eltern bei dem Ganzen? Das würde ich gern wissen.
    Was immer auch passiert, wenn die Leute kapieren, dass meine Rosie nichts damit zu tun hatte, glauben Sie etwa, die, die mit den anderen in Verbindung stehen, werden das alles vergessen? Keine Chance. Und das ist ein ganz, ganz mieses Pack, so viel kann ich Ihnen sagen. Uns wird nichts anderes übrigbleiben als umzuziehen. Ich war schon beim Amt und habe gefragt, ob die uns eine Wohnung auf der anderen Seite der Stadt geben können. Oder sogar in einer anderen Stadt. Mit dem ganzen Geglotze und Getratsche werde ich nicht fertig. Um ehrlich zu sein, ich bin froh, wenn wir hier weg sind. Ein neuer Anfang für uns beide, das ist es, was wir brauchen.
    Vielleicht gehen wir sogar nach England. Irgendwo ans Meer. Das wäre schön.
     

 
    Rosie Farrells Periode
    Ich stand in der Toilette, in der letzten von der Tür aus. Die liegt näher am Fenster und es ist bei Weitem die sauberste. Ich war dabei, meinen Tampon zu wechseln, da hörte ich so ein ganz schwaches Rufen: »Rosie.«
    Ich sagte nichts.
    Dann noch so ein geflüsterter Ruf: »Rosie!«
    Es war Clem. Ich erstarrte.
    Gleich darauf rief er noch mal: »Rosie!«
    Ich meine, kann ein Mädchen nicht mal in Frieden ihren Tampon wechseln? Das war zu viel. Im nächsten Augenblick war er in der Toilette. In der Mädchentoilette. In der verdammten Mädchentoilette. Also erstarrte ich total. Wie eine Statue. Wie bei dem Spiel, das wir als Wickelkinder gespielt haben. Ich konnte hören, wie er die Türen prüfte. Ich setzte mich auf den Sitz und stemmte meine Füße gegen die Tür, wobei ich aufpasste, kein Geräusch zu machen. Meine roten Diadoras waren bereit, jeden am Reinkommen zu hindern. Oder ihm voll in die Eier zu treten, wenn er es wagen sollte, reinzukommen. Meine roten Diadoras bedeckten die ersten und die letzten Worte des Schriftzuges:
    CORA KELLY HAT MEHR SCHLITZAUGEN GESEHEN ALS EIN JAPANISCHER OPTIKER. Damit waren die Schlitze an Schwänzen gemeint. Die arme Cora. ELLY HAT MEHR SCHLITZAUGEN GESEHEN ALS EIN JAPANISCHER OPTIKER, hörte sich viel besser an.
    Ich merkte, wie mein Herz schneller und schneller schlug. Das machte mich noch nervöser, weil es meine Position verraten konnte. Mehr Geflüster. Geflüster. Geflüster. Der Idiot gab all dieses verrückte Geflüster von sich, als ob er mit sich selber redete. Ich hörte genau zu, und mir wurde klar, was er da machte: Er las die ganzen Inschriften auf den Türen vor. Ich hörte, wie er The Smiths vorlas. Er würde wissen, dass ich das geschrieben hatte. Ich wollte nicht, dass er direkt vor sich sah, wie er mich beeinflusste und dass er sich dadurch wichtig fühlte.
    Meine Beine zitterten, also musste ich sie entspannen. Himmel, ich war überhaupt nicht fit! Scheiß drauf, wenn er über die Tür glotzen würde, dann konnte er sich begraben lassen! Ich hätte ihn auf der Stelle für perverse Handlungen im Polizeigriff aus der Schule führen lassen können, mit einer Decke über dem Kopf. Ich hätte Vergewaltigung brüllen können, obszöne Handlung, Einbruch, was auch immer. Ich hatte ihn im Schwitzkasten.
    Und dann, gerade als ich meine roten Turnschuhe von der Tür entfernte und sie auf dem stinkenden Fußboden abstellte, schwang die Vordertür auf.
    Und was macht der mutige Clem? Er verzischte sich in eine Toilette. Clem sprang in die Toilette neben meiner. Ich konnte ihn atmen hören. Ein bisschen musste ich grinsen. Das hast du davon, du Arschloch!
    Ich hörte, wie Absätze auf den Boden klickten. Ich wusste, es waren Billigschuhe. Das Klicken war ein Billigklicken. Wahrscheinlich von Primark oder Dunnes. Sie klickten in der Toilette neben der von Clem, zwei neben meiner. Wir waren wie Mama und Papa auf dem Lokus. Ich war die stille Mama. Clem war der vor Angst zitternde Papa.
    Das Geräusch, mit dem der Slip heruntergezogen wurde, kam mir bekannt vor. Bitte, bitte sei keine Petze,

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