Der Junge, der es regnen liess
fühle? Spricht mich das von dem, was geschehen ist, frei? Konkret ja. Philosophisch nein. Und existentiell – nun dabei schwanke ich.
Es gibt natürlich einige Fragen, zu denen noch weitere Erklärungen und Informationen erforderlich sind, so zum Beispiel: Welche Rolle spielte die Schule in alledem? Warum hat kein Mitglied des Lehrkörpers die Gefahr im Verzug erkannt oder geahnt? Und das Mädchen, das mit Clem zusammen war – wie sieht ihr Hintergrund aus? Was ist ihr Motiv? Ohne Zweifel werden all diese Fragen nach einer gründlichen, ordentlichen Untersuchung beantwortet werden.
Die Sorge
von Rosie Farrells Mutter
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich war begeistert, als Rosie und Clem ein Paar wurden. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht einfach nur so eine normale Teenager-Schulromanze war, sondern eine echte Beziehung. Sie wissen schon – ein richtiges Paar.
Als Mutter macht man sich ja immer Sorgen um seine Kinder. Ich hatte nur das eine, also konzentrierten sich natürlich meine ganzen Sorgen auf Rosie. Ich weiß, das war ihr gegenüber nicht fair, und es gab Zeiten, da habe ich versucht, mich zurückzulehnen und sie ihren eigenen Weg gehen, ihre eigenen Fehler machen zu lassen. Aber ich sagen Ihnen, wenn man das als Mutter macht und vom Rand aus zuschaut, zerreißt es einem das Herz. Ich wollte mich einfach nicht immer einmischen. Ich dachte, wenn ich ihr Luft zum Atmen ließe, würde uns das ein kleines bisschen näher zusammenbringen.
Ja, wenn ich so zurückdenke, in gewisser Weise war ich vermutlich eifersüchtig auf Clem. Er spielte die Rolle, die ich spielen wollte. Die Rolle, die ich hätte spielen sollen. Fassen Sie das bloß nicht falsch auf, ich wollte nicht mit ihr über das Liebesleben der Bienen reden. Teenager sind doch heutzutage nicht blöd. Die wissen womöglich mehr als ich. Meine Rosie hätte mir da vermutlich noch so ein, zwei Sachen beibringen können.
Als Elternteil fragt man sich doch oft, ob das eigene Kind … Sie wissen schon … ob das Kind diese Neigung hat. Besonders Rosie. Ich hatte sie nie über Jungs reden hören oder auch nur andeuten, dass sie mal einen Typen mit nach Hause bringen könnte. Ich gebe also zu, es gab Zeiten, da habe ich überlegt, ob sie vielleicht … Sie wissen schon … ein kleines bisschen … Ich weiß noch, dass ich mal in der Nacht geweint habe, weil ich fand, es wäre die totale Verschwendung, wo sie doch so ein hübsches Mädchen ist. Aber wenn sie so gewesen wäre, hätte ich das auch akzeptiert. Ich hätte sie deshalb nicht weniger geliebt.
Sie können sich vorstellen, wie froh ich war, als Clem auf der Bühne erschien und sie ein echtes Paar wurden. Ein richtiges Paar. Ich habe mich wirklich für die beiden gefreut. Vermutlich war es mehr Erleichterung als alles andere, was ich empfand.
Ich habe wirklich nichts Komisches bemerkt, aber es haben sich definitiv Sachen geändert. Manche zum Guten, manche zum Schlechten. Also, sie schien glücklicher und war zu Hause gesprächiger. Lebendiger. Aber ich wusste immer, wann sie sich gestritten hatten oder so was. Oje, dann durfte man nicht in ihre Nähe kommen. Einmal habe ich gedacht, die beiden hätten sich getrennt, denn sie schlich nur in der Wohnung herum wie auf einer Beerdigung. Es dauerte aber nicht lange. Ich habe so Sachen zu ihr gesagt wie: »Rosie, wenn ich irgendwas für dich tun kann oder wenn du darüber sprechen willst, musst du es nur sagen.«
Dann hat sie mich mit diesem bestimmten Blick angesehen und gesagt: »Was verstehst du schon davon?«
Ich habe sie einfach in Ruhe gelassen, wenn sie so war. Mit ihr zu sprechen, hatte keinen Sinn. Und innerhalb von zwei Stunden schlug dann alles wieder um. Damit zurechtzukommen, fiel mir schwer, mit all diesen Stimmungsschwankungen. Ich wusste nie, was als Nächstes kam. Ich glaube nicht, dass sie das selbst so recht wusste. Aber wie auch immer, vor allem war ich froh, dass sie nicht vom anderen Ufer war. Mir kommt es vor, als ob zu meiner Zeit alles leichter war.
Und dann schwenkte ich um und fing an, mir Sorgen zu machen, weil Rosie und Clem viel zu viel Zeit miteinander verbrachten. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe mich für die beiden gefreut, aber in dem Alter braucht man doch auch andere Freunde und Freundinnen. Ich wollte nicht, dass sie zu abhängig von ihm wurde. Ich dachte immer über irgendwelchen Blödsinn nach wie: Was haben die nur die ganze Zeit zu reden? Das ist nur, weil mein Ex und ich eine
Weitere Kostenlose Bücher