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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Tom die Sitze nicht. Es gab eine Bar, eine Miniküche und reichlich Beinfreiheit.
    »Ich kenne diese Leute nicht.« Frank meinte den Piloten und einen Steward, der fragte, was sie essen und trinken wollten. »Sie arbeiten für den Heliport.«
    Tom bestellte ein Bier und ein Sandwich, Roggenbrot mit Käse. Erst kurz nach fünf; der Flug würde rund drei Stunden dauern, hatte jemand gesagt. Thurlow saß neben Eugene, näher am Piloten. Tom sah aus dem Fenster zu, wie New York unter ihnen wegsackte.
    Chop-chop-chop, wie in den Comics. Berghohe Gebäude versanken, als würden sie nach unten gesaugt. Tom mußte an einen rückwärts laufenden Film denken. Frank saß neben ihm, doch getrennt durch den Gang. Hinter ihnen war niemand. Vorne erzählten der Steward und der Pilot Witze, nach dem Gelächter zu schließen. Zur Linken hing eine orangerote Sonne über dem Horizont.
    Frank vertiefte sich in ein Buch, ein neues, das er aus seinem Zimmer mitgenommen hatte. Tom versuchte zu dösen; das schien ihm das beste, schließlich würden sie alle heute abend wohl erst spät ins Bett kommen. Für ihn wie auch für den Jungen, Thurlow und Johnny war es jetzt ungefähr zwei Uhr morgens. Thurlow schlief schon.
    Ein anderes, höheres Motorengeräusch weckte Tom. Der Hubschrauber ging in den Sinkflug über.
    »Wir landen hinten auf dem Rasen«, sagte Frank zu ihm.
    Draußen war es fast dunkel, doch dann sah Tom ein großes weißes Haus, eindrucksvoll, aber auch einladend mit seinen Lichtern, die unter den überdachten Veranden an zwei Seiten des Hauses gelblich leuchteten. Und vielleicht würde Mutter auf der einen Veranda stehen, dachte Tom, um den Sohn zu begrüßen, der sich müde nach Hause schleppte, einen Stock über der Schulter mit seinen Siebensachen in einem zusammengeknoteten Taschentuch… Tom merkte, daß er neugierig auf dieses Haus der Piersons war – selbstverständlich nicht ihr einziges, aber doch ein wichtiges Domizil. Zu ihrer Rechten lag die See, und dort draußen bemerkte er einige Lichter, von Booten oder Bojen. Und da war sie auf einmal wirklich: Lily Pierson – Mama – stand winkend vor dem Haus! Sie trug schwarze Hosen und eine schwarze Bluse, soweit Tom das im Halbdunkel erkennen konnte, doch ihr blondes Haar schimmerte im Licht der Veranda. Neben ihr wartete eine dickliche, weiß gekleidete Frau.
    Der Hubschrauber setzte auf, eine Treppe klappte aus, und sie stiegen die Stufen hinab.
    » Franky! Willkommen zu Hause!« rief seine Mutter.
    Auch die Frau neben ihr, eine Schwarze, lächelte und kam ihnen entgegen, um mit dem Gepäck zu helfen, das Eugene und der Steward aus einer Seitenklappe holten.
    »Hallo, Mom«, sagte Frank. Er legte ihr den Arm um die Schulter, nervös oder leicht angespannt, und drückte einen flüchtigen Kuß auf ihre Wange.
    Tom sah aus einiger Entfernung zu, er stand noch auf dem Rasen: Der Junge war schüchtern, aber es schien nicht so, als könne er seine Mutter nicht ausstehen.
    »Das ist Evangelina«, bemerkte Lily Pierson zu dem Jungen und deutete auf die Schwarze, die mit einem Koffer auf sie zukam. »Mein Sohn Frank – und Johnny«, sagte sie zu der Frau. »Und Sie, Ralph, wie geht es Ihnen?«
    »Sehr gut, danke. Das ist –«
    Frank fiel ihm ins Wort: »Mom, Tom Ripley.«
    »Ich freue mich so, Sie kennenzulernen, Mr. Ripley!« Ein prüfender Blick aus Lilys Lidschattenaugen, doch ein durchaus freundliches Lächeln.
    Mrs. Pierson führte sie ins Haus und versicherte, sie könnten Jacken und Regenmäntel in der Diele oder woanders aufhängen. Ob sie schon gegessen hätten? Oder waren sie zu müde dazu? Evangelina habe ein kaltes Abendbrot gerichtet, falls sie etwas essen wollten. Sie klang nicht nervös, nur um die Gäste bemüht; ihr amerikanischer Akzent war eine Kombination aus New York und Kalifornien, fand Tom.
    Sie nahmen im großen Wohnzimmer Platz. Eugene folgte Evangelina hinaus, zur Küche wahrscheinlich, wohin auch die Hubschraubercrew verschwunden sein dürfte. Und dort hing das Gemälde, der Derwatt, den Frank bei seinem zweiten Besuch in Belle Ombre erwähnt hatte: Der Regenbogen, eine von Bernard Tufts’ Fälschungen. Tom hatte es noch nie gesehen, kannte den Titel nur von einem Verkaufsbericht, den ihm die Galerie Buckmaster vor etwa vier Jahren zugeschickt hatte. Tom erinnerte sich auch an Franks Beschreibung des Bildes – unten beige, die Häuserspitzen einer Stadt, darüber ein vorwiegend dunkelroter Regenbogen mit einem Schuß Blaßgrün. »Alles

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