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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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das angrenzende Bad, wo selbst die Handtücher gelb und Teile der Einrichtung, einschließlich einer kleinen Kommode, mit goldenen Schnörkeln verziert waren, nach dem Muster des Zimmermobiliars (véritable Louis Quinze).
    »Wie geht es Frank wirklich?« fragte Lily. Drei Sorgenfalten zogen sich plötzlich quer über ihre Stirn.
    Tom ließ sich Zeit. »Ich glaube, er liebt ein Mädchen namens Teresa. Wissen Sie etwas über sie?«
    »Oh, Teresa…« Sie warf einen kurzen Blick zur offenen Zimmertür. »Nun, sie ist die dritte oder vierte, von der ich gehört habe. Nicht von Frank selber, der erzählt mir gar nichts über seine Freundinnen. Und auch sonst nicht viel. Aber Johnny findet es immer irgendwie heraus. – Warum fragen Sie? Hat Frank viel von ihr gesprochen?«
    »Nein, viel nicht. Aber mir scheint, er liebt sie immer noch. Sie haben sie kennengelernt?«
    »Ja, sicher. Sehr nettes Mädchen. Aber erst sechzehn. Wie Frank auch.« Lily Pierson sah ihn an, als wolle sie sagen: Wie tief kann das schon gehen?
    »Johnny hat mir in Paris gesagt, daß Teresa für einen anderen schwärmt. Angeblich für einen Älteren. Ich glaube, das hat den Jungen hart getroffen.«
    »Ja, wahrscheinlich. Teresa ist so hübsch, sie hat schrecklich viele Verehrer. Und mit sechzehn will ein Mädchen lieber einen, der zwanzig ist oder noch älter.« Lily lächelte, wie zum Zeichen, für sie sei das Thema damit beendet.
    Tom hatte gehofft, ihr ein paar Worte über Franks Wesen entlocken zu können.
    »Frank wird über sie hinwegkommen.« Sie klang aufgeräumt, sprach aber leise, als könnte Frank im Flur stehen und lauschen.
    »Eine Frage noch, Mrs. Pierson, da wir gerade dabei sind. Ich glaube, Frank ist weggelaufen, weil ihm der Tod seines Vaters so nahegegangen ist. War das nicht der wirkliche Grund? Eher als Teresa, meine ich, weil zu jener Zeit, wie Frank sagte, das Mädchen doch noch an ihm interessiert war.«
    Lily schien die Worte sorgfältig zu wählen, bevor sie antwortete: »Frank war durcheinander nach Johns Tod, mehr als Johnny, das weiß ich. Johnny ist manchmal ein Träumer, in Gedanken bei der Fotografie und bei seinen Mädchen.«
    Tom sah in ihr verzerrtes Gesicht. Sollte er es wagen, sie zu fragen, ob sie an einen Selbstmord glaube? »Der Tod Ihres Mannes wurde als Unfall bezeichnet. So stand es in den Zeitungen. Sein Rollstuhl ist von dieser Klippe gestürzt.«
    Lily zuckte die Achseln, rasch, ruckartig. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    Die Zimmertür stand noch offen, und Tom überlegte, ob er sie schließen und Lily vorschlagen sollte, sich zu setzen – doch würde sie danach weiter die Wahrheit sagen, falls sie die überhaupt kannte? »Aber Sie glauben, daß es eher ein Unfall war als Selbstmord?«
    »Ich weiß es nicht. Der Boden steigt dort leicht an, und John hat nie ganz vorn am Rand gesessen. Das wäre leichtsinnig gewesen. Außerdem hatte sein Rollstuhl natürlich Bremsen. Frank sagte, er wäre einfach urplötzlich schnell losgerollt – und warum hätte er den Motor anstellen sollen, wenn er es nicht tun wollte?« Wieder das besorgte Stirnrunzeln und ein kurzer Blick zu Tom hinüber. »Frank kam zum Haus gerannt –« Sie verstummte.
    »Frank sagte mir, Ihr Mann wäre enttäuscht gewesen, weil seine Söhne… Beide hätten nicht viel Interesse an seiner Arbeit gezeigt. Am Pierson-Konzern, meine ich.«
    »Ach, das. Ja, stimmt. Ich glaube, die Jungs haben Angst vor der Firma. Sie finden das Geschäftliche zu kompliziert, oder sie haben einfach keine Lust dazu.« Sie sah zu den Fenstern hinüber, als wäre die Firma ein schwerer Sturm, der sich da draußen finster zusammenbraute. »Bestimmt war das eine Enttäuschung für John. Sie wissen ja, ein Vater will, daß wenigstens einer seiner Söhne in seine Fußstapfen tritt. Aber es gibt andere Leute in der Familie – John nannte auch seine Büroangestellten stets seine Familie –, die den Konzern tatsächlich übernehmen könnten. Nicholas Burgess zum Beispiel, Johns rechte Hand und erst vierzig. Ich glaube kaum, daß John sich aus Enttäuschung über die Jungs umgebracht hätte, doch ich denke, er könnte es deshalb getan haben, weil er sich wirklich… nun, schämte, im Rollstuhl zu sitzen. Daß er es leid war, weiß ich. Und wenn dann die Sonne unterging… Sonnenuntergänge stimmten ihn immer sentimental. Nein, nicht sentimental, sondern er war dann bewegt – glücklich und traurig zugleich, wie wenn etwas zu Ende geht. Es war nicht einmal die Sonne dort,

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