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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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lassen, aber Tom hielt dennoch nicht viel vom Architekten. »Ich wollte die Klippe sehen«, sagte Tom. Konnte der Junge sich das nicht denken?
    »Na gut. Hier entlang.« Sie folgten dem Plattenweg in die noch tiefere Dunkelheit.
    Die Steinplatten waren noch sichtbar; Frank schritt voran, als kenne er jeden Zentimeter. Die Bäume schlossen sich über ihnen, dann teilten sich die Kronen, und vor ihnen lag die Klippe. Tom konnte den Rand erkennen, die hellen Steine oder Kiesel, die ihn markierten.
    »Da draußen ist das Meer.« Frank zeigte hinaus. Er ging nicht bis zur Kante.
    »Das hatte ich mir schon gedacht.« Tom hörte die Wellen unten sachte ans Ufer schlagen, nicht hämmernd, nicht rhythmisch, sondern eher plätschernd. Und weit draußen in der pechschwarzen Finsternis sah er das weiße Buglicht eines Bootes und seine rote Backbordlaterne. Etwas schoß über ihre Köpfe, vielleicht eine Fledermaus, doch der Junge schien sie nicht zu bemerken. Hier ist es also geschehen, dachte Tom. Er sah zu, wie Frank an ihm vorbei zur Kante der Klippe ging, die Hände hinten in den Hosentaschen vergraben, und hinabblickte. Für einen Moment hatte er Angst um ihn, weil es so dunkel war und der Junge dem Abgrund so nahe schien, doch dann bemerkte Tom, daß die Klippe zum Rand tatsächlich sanft anstieg. Plötzlich fuhr Frank herum und fragte:
    »Sie haben vorhin mit Mom gesprochen?«
    »Ja, kurz. Ich habe sie nach Teresa gefragt. Daß sie hier war, weiß ich. – Sie hat dir wohl nicht geschrieben?« Tom fand es besser, den Jungen freiheraus zu fragen, als einfach nichts zu sagen.
    »Nein.«
    Tom kam bis auf gut einen Meter heran. Der Junge stand kerzengerade. »Tut mir leid«, sagte Tom. Einmal, vor Tagen, hatte sich das Mädchen die Mühe gemacht, Thurlow in Paris anzurufen, dachte er, und nun, da Frank aufgetaucht und in Sicherheit war, ließ sie ihn ohne jede Erklärung fallen.
    »Haben Sie nur über sie gesprochen – über Teresa?« fragte der Junge leichthin, als sei das nicht gerade viel als Gesprächsthema.
    »Nein, ich habe sie gefragt, ob sie den Tod deines Vaters für einen Unfall oder für Selbstmord hält.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Sie wüßte es nicht. Sieh mal, Frank…« Tom senkte die Stimme. »Sie verdächtigt dich gar nicht – und du läßt besser Gras über die Sache wachsen. Mehr braucht es nicht. Vielleicht ist das schon geschehen. Es ist vorbei. Deine Mutter sagte: ›Selbstmord oder Unfall, es ist vorbei‹ oder so ähnlich. Also reiß dich zusammen, Frank, und laß dieses… Steh lieber nicht so nah an der Kante.« Das Gesicht der See zugewandt, wippte der Junge auf den Zehen: Ob er wütend war oder nur tief in Gedanken versunken, ließ sich nicht sagen.
    Dann machte er kehrt, kam auf Tom zu und ging links an ihm vorbei, drehte sich wieder um und sagte: »Aber Sie wissen, daß ich diesen Rollstuhl hinabgestoßen habe. Mit meiner Mutter haben Sie darüber gesprochen, was sie denken oder glauben könnte, doch ich hab es Ihnen erzählt. Ich meine, Mom habe ich gesagt, mein Vater hätte es selbst getan, und sie glaubt mir. Aber das ist nicht wahr.«
    »Schon gut, schon gut«, sagte Tom sanft.
    »Als ich meinen Vater hinabstieß, dachte ich sogar, daß Teresa bei mir wäre – daß sie mich liebhätte, meine ich.«
    »Ist ja gut, ich verstehe.«
    »Ich dachte, ich lasse meinen Vater verschwinden, aus meinem Leben, aus unserem, für mich und Teresa. Ich hatte das Gefühl, er verdirbt mir – das ganze Leben. Komisch, daß Teresa mir damals Mut gegeben hat. Und jetzt ist sie weg. Jetzt ist da nichts mehr, nur Stille. Nichts!« Seine Stimme versagte.
    Seltsam, dachte Tom: Manche Mädchen bedeuteten Trauer und Tod. Sie versprachen Freude, Sonnenschein, Schaffenskraft, aber eigentlich bedeuteten sie den Tod. Und dabei verführten sie ihre Opfer nicht einmal; man könnte sogar den Jungs selbst die Schuld geben, weil sie sich täuschen ließen von – ja, von nichts und wieder nichts, nur von einem Hirngespinst. Auf einmal mußte er lachen. »Frank, du solltest einfach begreifen: Es gibt noch andere Mädchen auf der Welt. Inzwischen dürftest du verstanden haben, daß Teresa… Sie hat sich von dir gelöst. Also mußt du sie loslassen.«
    »Das habe ich schon getan. In Berlin, glaube ich. Dort kam der eigentliche Einbruch, als ich hörte, was Johnny mir sagte.« Der Junge zuckte die Achseln, sah Tom aber nicht an. »Klar, ich habe nach einem Brief von ihr gesucht, zugegeben.«
    »Also machst du jetzt

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