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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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auch so«, sagte Tom. Es klang wie eine Frage. »Sag nicht bloß ›okay‹ zu mir. Du hast dir bewiesen, was du beweisen wolltest. Verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    Sie gingen zum Haus zurück. Allmählich hörten Toms Beine auf zu zittern, er atmete mehrmals tief durch. »Ich werde das nicht erwähnen. Und du sagst auch nichts, zu niemandem. In Ordnung, Frank?« Er warf einen Blick auf den Jungen, der auf einmal genauso groß schien wie er selber.
    Frank starrte nach vorn, nicht auf das Haus, sondern weiter weg, in die Ferne. »Klar, Tom. Sicher.«

22
     
    Als die beiden ins Haus zurückkehrten, waren die Hunters schon da: Frank hatte Tom den grünen Wagen in der Einfahrt gezeigt, sonst hätte Tom gedacht, das Auto gehöre den Piersons.
    »Ich bin sicher, sie sind oben, im Ocean-View -Zimmer.« Frank betonte Ocean View, als stünden die Worte in Anführungszeichen. »Mom läßt den Tee stets dort servieren.« Er warf einen Blick auf Toms Koffer, den jemand heruntergebracht und nahe der Haustür abgestellt hatte.
    »Laß uns was trinken. Ich kann einen Drink gebrauchen«, sagte Tom. Er ging zu einem fast drei Meter langen Tisch, einer Art Sideboard oder Bartheke. »Drambuie, habt ihr den?«
    »Drambuie? Bestimmt.«
    Der Junge beugte sich über die doppelte Reihe der Flaschen, den Zeigefinger ausgestreckt, erst nach links, dann nach rechts, fand die richtige und nahm sie lächelnd zur Hand.
    »Ich weiß noch, Drambuie. In Belle Ombre.« Frank goß den Likör in zwei Brandygläser.
    Tom sah, daß seine Hand nicht zitterte, doch als der Junge das Glas hob, war er immer noch blaß im Gesicht. Tom trat hinzu und stieß mit ihm an. »Das wird dir guttun.«
    Sie tranken einen Schluck. Tom bemerkte, daß der unterste Knopf seines Jacketts nur noch an ein, zwei Fäden hing, riß ihn ab, steckte ihn ein und klopfte sich den Staub ab. Die Jacke des Jungen war über der linken Brust mehrere Zentimeter lang eingerissen.
    Frank drehte sich auf dem Absatz einmal um sich selbst und fragte: »Wann müssen Sie fahren?«
    »Gegen fünf.« Tom sah auf seine Uhr: viertel nach vier. »Mir ist nicht danach, Susie auf Wiedersehen zu sagen.«
    »Ach, dann lassen Sie’s doch!«
    »Aber deiner Mutter…«
    Sie gingen nach oben. Frank hatte etwas Farbe bekommen, sein Schritt war federnd. Er klopfte an eine weiße, weit offenstehende Tür, und sie betraten ein großes Zimmer mit Teppichboden. Drei große Fenster mit Meeresblick nahmen die ganze Wand gegenüber ein. Lily Pierson saß vor einem runden, niedrigen Tisch, ein Paar mittleren Alters in Lehnstühlen. Vermutlich die Hunters, dachte Tom. Johnny stand mit einer Handvoll Fotos dabei.
    »Wo warst du bloß?« fragte Lily. »Herein, und Sie bitte auch, Tom. Betsy, das ist Tom Ripley, von dem ich dir soviel erzählt habe. Wally – endlich ist Frank wieder zu Hause!«
    »Frank!« sagten beide Hunters fast gleichzeitig, während der Junge heranschlenderte, sich knapp verbeugte und Wally die Hand schüttelte. »Langweilst du die Leute schon wieder mit deinem Mist?« fragte er seinen Bruder.
    »Endlich lerne ich Sie kennen.« Wally schüttelte Tom die Hand und sah ihm in die Augen, als könne Tom Wunder wirken – oder als gebe es ihn eigentlich gar nicht. Tom tat die Hand trotzdem weh.
    Die Hunters waren das perfekte Abbild von modischem Chic à la Maine, er in einem senfgelben Sommeranzug, seine Frau in einem lila Baumwollkleid.
    »Tee, Frank?« fragte Mrs. Pierson.
    »Ja, bitte.« Der Junge stand noch.
    Tom lehnte ab. »Ich sollte jetzt gehen, Lily.« Sie hatte ihn gebeten, sie so zu nennen. »Eugene sagte, er fährt mich nach Bangor.«
    Johnny und seine Mutter sprachen gleichzeitig: Natürlich werde Eugene ihn fahren. »Oder ich«, sagte Johnny. Aber er habe noch Zeit bis zur Abfahrt, meinten sie, mindestens zehn Minuten. Tom wollte nicht über die Entführung in Europa sprechen, und Lily gelang es, Wally Hunter von dem Thema abzubringen. Sie versprach, ihm ein andermal von Berlin und Frankreich zu erzählen. Betsy Hunter fixierte Tom mit ihren kühlen grauen Augen, doch ihm war es gleich, was sie von ihm hielt. Auch die Ankunft von Talmadge Stevens, früher als erwartet, interessierte ihn nicht. So wie die Hunters den Mann begrüßten, kannten und mochten sie ihn offenbar.
    Lily stellte ihn vor: ein bißchen größer als Tom, dem Aussehen nach Mitte Vierzig, ein kräftiger Mann, der womöglich joggte. Tom spürte sofort, daß Lily und Tal eine Affäre hatten. Und wenn schon. Wo war Frank? Er

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