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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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hatte sich aus dem Zimmer gestohlen. Tom tat das auch. Er meinte, eben noch Musik gehört zu haben – vielleicht eine Platte des Jungen.
    Franks Zimmer lag im selben Flur gegenüber, zum hinteren Teil des Hauses hin. Tom klopfte. Keine Antwort. Er öffnete die Tür einen Spaltweit: »Frank?«
    Im Zimmer war niemand. Jemand hatte den Deckel des Plattenspielers abgenommen; eine Platte lag auf dem Teller, drehte sich aber nicht mehr: Lou Reeds Transformer – Héloïse hatte damals in Belle Ombre die zweite Seite gespielt. Tom sah auf die Uhr, es war fast fünf, und um fünf sollten Eugene und er fahren. Wahrscheinlich wartete der Chauffeur im Erdgeschoß hinten im Haus, wo wohl auch die Dienstbotenräume lagen.
    Tom ging die Treppe hinunter in das Wohnzimmer (auch dort niemand), als er kurz Gelächter aus dem Ocean-View -Zimmer im ersten Stock hörte. Er durchquerte ein zweites Wohnzimmer in der Mitte des Hauses mit Fenstern zum Garten, fand die Diele wieder und suchte im hinteren Teil des Hauses weiter, wo er die Küche vermutete. Die Küchentür stand offen; an den Wänden schimmerten die Kupferböden von Töpfen und Pfannen. Ein rotbäckiger Eugene hielt eine Tasse in der Hand und redete mit Evangelina. Als er Tom sah, nahm er eine respektvolle Haltung ein. Aus irgendeinem Grund hatte Tom erwartet, Frank hier zu finden.
    »Verzeihung«, sagte er, »haben Sie –«
    »Ich denke an die Abfahrtszeit, Sir: fünf Uhr. Ich habe sieben vor fünf. Kann ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?« Eugene hatte Tasse und Untertasse abgestellt.
    »Nein, danke, ist schon unten. Wo ist Frank, wissen Sie das?«
    »Oben, glaube ich, Sir. Beim Tee.«
    Nein, ist er nicht, wollte Tom sagen und verkniff sich die Antwort. Auf einmal bekam er Angst. »Danke«, sagte er zu Eugene, dann lief er durch das Haus zur Vordertür, dem nächsten Ausgang, wie er vermutete, hinaus auf die Veranda und rechts herum zum Rasen. Vielleicht war Frank schon wieder oben in dem Zimmer, wo die anderen Tee tranken; Tom aber wollte zuerst zur Klippe. Er stellte sich vor, wie der Junge erneut am Abgrund stand und überlegte, ob er – was? Tom rannte den ganzen Weg. Der Junge war nicht auf der Klippe. Tom lief langsamer, er keuchte, nicht aus Atemnot, sondern vor Erleichterung. Als er der Kante näher kam, packte ihn wieder die Angst. Er ging weiter.
    Da unten war sie – die blaue Jacke und das dunklere Blau der Levis, der dunkle Haarschopf, umrahmt von Rot, wie eine Blüte gegen die fast weißen Felsen, unwirklich und doch wieder nicht. Tom riß den Mund auf, als müsse er schreien, tat es aber nicht, atmete nicht einmal, mehrere Sekunden lang, bis er merkte, daß er am ganzen Leibe zitterte und Gefahr lief, selbst hinabzustürzen. Der Junge war tot, und es wäre sinnlos, irgendetwas zu unternehmen, um ihn zu retten. Seine Mutter, dachte Tom, schon auf dem Weg zurück zum Haus. Er mußte es ihr sagen. Herrgott, all die Leute da oben!
    Im Haus begegnete er Eugene, rotwangig und hellwach. »Stimmt etwas nicht, Sir? Es ist erst zwei Minuten nach fünf, also haben wir –«
    »Ich glaube, wir müssen sofort die Polizei rufen, einen Krankenwagen, was immer.«
    Eugene musterte ihn von Kopf bis Fuß; vermutlich suchte er nach Verletzungen.
    »Frank, nicht ich – dort draußen, an der Klippe!«
    Plötzlich begriff der Mann: »Ist er hinabgestürzt?« Er wollte schon loslaufen.
    »Er ist tot, das ist ganz sicher. Könnten Sie den Krankenwagen rufen oder was man sonst tun sollte? Ich sage es Mrs. Pierson. – Zuerst den Krankenwagen!« sagte Tom, als Eugene durch die Verandatür hinausstürmen wollte.
    Tom wappnete sich für den ersten Stock und ging hinauf, klopfte an die Tür der Teegesellschaft und trat ein. Alle schienen sich wohl zu fühlen; Tal lehnte am Sofaende neben Lily, Johnny stand noch immer und unterhielt sich mit Mrs. Hunter. »Kann ich Sie kurz sprechen?« fragte Tom Mrs. Pierson.
    Sie erhob sich. »Ist etwas, Tom?« fragte sie, als denke sie, er habe nur seine Reisepläne geändert, was niemandem Umstände bereiten würde.
    Tom sagte es ihr erst auf dem Flur, nachdem er die Tür geschlossen hatte: »Frank ist gerade von der Klippe gesprungen.«
    » Was? O nein!«
    »Ich habe nach ihm gesucht. Dann sah ich ihn dort unten liegen. Eugene ruft den Krankenwagen – aber ich glaube, er ist tot.«
    Plötzlich stand Tal in der Tür. Sofort verdüsterte sich seine Miene: »Was ist passiert?«
    Lily brachte kein Wort heraus, also sagte Tom: »Frank ist eben von der

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