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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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quadratischen Schnappschuß in einer durchsichtigen, genau passenden Hülle: ein Mädchen mit braunen Haaren, wachen Augen und einem verschmitzten Lächeln, den Mund geschlossen, die Augen ein wenig zusammengekniffen. Halblanges, glattes, glänzendes Haar und ein Gesicht, das eher vergnügt als verschmitzt wirkte, als sei das Foto beim Tanzen entstanden. »Sie hat Charme«, sagte Tom.
    Frank nickte stumm und glücklich. »Macht es Ihnen auch nichts aus, mich zurückzufahren? Diese Schuhe sind bequem, aber…«
    Tom lachte. »Kein Problem.« Der Junge trug schwarze Glattledermokassins von Gucci, die er frisch geputzt hatte. Sein Jackett aus hell- und dunkelbraunem Harristweed wies ein interessantes Karomuster auf, das Tom vielleicht auch für sich gewählt hätte. »Ich sehe mal nach, ob Madame Annette noch wach ist, und sag ihr, daß ich kurz wegfahre und dann wiederkomme. Motorengeräusche machen sie manchmal nervös, andererseits rechnet sie ja mit Héloïses Rückkehr. Geh hier unten auf die Toilette, wenn du willst.« Tom zeigte auf eine schmale Tür in der Diele.
    Der Junge ging dorthin, Tom durch die Küche zu Madame Annettes Zimmer. Ihr Zimmer war dunkel, das sah er durch den Spalt unter der Tür. Auf dem Telefontisch schrieb er hastig: »Fahre einen Freund nach Hause. Bin wohl so gegen Mitternacht zurück. T.« Tom legte den Zettel auf die dritte Treppenstufe von unten, wo Héloïse ihn sicher finden würde.

3
     
    Heute abend wollte Tom das »kleine Gartenhaus« des Jungen sehen. Auf der Fahrt bat er beiläufig: »Kann ich sehen, wie du wohnst? Oder würde das Madame Boutin stören?«
    »Ach, die geht gegen zehn ins Bett. Klar, können Sie.«
    Soeben hatten sie Moret erreicht. Tom kannte jetzt die Strecke, bog links in die Rue de Paris ein und fuhr langsam bis zur Nummer 78 vor. Vor dem Boutin-Haus zu seiner Linken stand ein Wagen in Fahrtrichtung geparkt. Da die Straße leer war, hielt Tom auf der linken Straßenseite, gegenüber vom anderen Wagen. Im Licht seiner Scheinwerfer konnte Tom die letzten Ziffern des vorderen Nummernschildes lesen: 75, ein Pariser Kennzeichen.
    Im selben Moment erstrahlten die Frontscheinwerfer des Fremden, gleißend helles Licht fiel durch Toms Windschutzscheibe. Das Pariser Auto setzte rasch zurück. Tom meinte, vorne zwei Männer auszumachen.
    »Was war das?« Frank klang beunruhigt.
    »Genau das hab ich mich auch gerade gefragt.« Der Wagen rollte zurück bis zur nächsten Abzweigung, wendete und fuhr schnell davon. »Pariser Nummernschild.« Toms Wagen stand, doch die Scheinwerfer brannten noch. »Ich parke um die Ecke.«
    Er hielt in der noch dunkleren, schmaleren Seitenstraße, in der das Pariser Auto gewendet hatte, schaltete die Fahrtlichter aus und drückte die Knöpfe aller drei Beifahrertüren hinunter, sobald Frank ausgestiegen war. »Wahrscheinlich kein Grund zur Sorge«, sagte er, aber ein bißchen besorgt war er schon, wenn er sich vorstellte, daß nun ein oder zwei Mann in Madame Boutins Garten auf sie lauern könnten. »Taschenlampe.« Tom nahm sie aus dem Handschuhfach, schloß die Fahrertür ab, und sie gingen zum Haus.
    Frank holte den langen Schlüssel aus der Innentasche seines Jacketts und schloß das Einfahrtstor auf, das in den Garten führte.
    Angespannt wappnete sich Tom für ein Handgemenge gleich hinter dem Tor – die Flügel waren knapp drei Meter hoch und nicht schwer zu überklettern, trotz der eisernen Spitzen darauf. Das Vordertor wäre noch leichter zu bewältigen.
    »Schließ wieder ab«, flüsterte Tom, als sie drinnen standen.
    Frank schloß ab. Er hatte jetzt die Taschenlampe, und Tom folgte ihm durch Weinstöcke und etliche Obstbäume, Äpfel womöglich, zu einem Häuschen auf der Rechten. Madame Boutins Haus zur Linken lag in völliger Dunkelheit. Tom hörte nichts, nicht einmal den Fernseher eines Nachbarn. In französischen Dörfern konnte es nach Mitternacht totenstill sein.
    »Vorsicht!« flüsterte der Junge und leuchtete auf drei zusammenstehende Eimer, denen Tom ausweichen sollte. Er holte einen kleineren Schlüssel hervor, schloß die Tür des Gartenhauses auf und knipste das Licht an. Dann gab er Tom die Taschenlampe zurück. »Klein, aber mein!« verkündete er fröhlich und schloß die Tür hinter ihnen.
    Der Raum war nicht besonders groß: ein Einzelbett, ein weißgestrichener Holztisch, darauf ein paar Taschenbücher, eine französische Zeitung, etliche Kugelschreiber, ein halbvoller Becher Kaffee. Über einer Stuhllehne

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