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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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hinaus, ob ein Wagen vorbeifuhr oder irgendwo parkte: nichts, nur Dunkelheit, vom Lichtkegel einer Straßenlaterne zur Linken abgesehen. Natürlich konnte dort draußen irgendwo ein Auto stehen, ohne Licht, aber daran wollte Tom lieber nicht denken.
    Frank klopfte an die angelehnte Tür und trat ein, barfuß, im Pyjama, die Zahnbürste in der Hand. Tom zeigte zum Bad.
    »Dein Reich«, sagte er, »und laß dir Zeit.« Tom sah lächelnd zu, wie der todmüde Junge – er hatte Ringe unter den Augen – ins Badezimmer wankte und die Tür schloß. Tom schlüpfte in seinen Schlafanzug. Er war gespannt, was die Trib in den nächsten Tagen über Frank Piersons Verschwinden bringen würde. Die Suche dürfte nun in eine heißere Phase treten. Tom ging über den Flur zu Héloïses Zimmer und lugte durch das Schlüsselloch. Wenn bei ihr noch Licht brannte, sah er es immer, selbst wenn der Schlüssel von innen steckte. Alles dunkel.
    Er kehrte in sein Zimmer zurück und lag im Bett, in einer französischen Grammatik blätternd, als Frank aus dem Bad kam. Er lächelte, sein Haar war noch feucht.
    »Eine heiße Dusche – toll!«
    »Geh ins Bett. Und schlaf dich aus.«
    Dann ging er sich waschen. Er dachte an den Wagen vor Madame Boutins Haus. Wer die beiden Männer auch waren, einen lauten Kampf hatten sie vermeiden wollen, auch bloß die Begegnung mit Frank und Begleiter. Trotzdem verhieß das Ganze nichts Gutes. Andererseits könnte es auch reine Neugier gewesen sein und nicht weiter wichtig: Vielleicht hatte jemand in Moret erzählt, er habe ein neues Gesicht gesehen, einen amerikanischen Jungen, der Frank Pierson sein könne. Und vielleicht hatte dieser Jemand einen Freund in Paris. Die Männer hatten ja anscheinend nicht nach »Frank« gefragt, nur nach Madame Boutins »Gärtner«. Tom beschloß, den Brief des Jungen an Madame Boutin morgen allein hinzubringen, und zwar so früh wie möglich.

4
     
    Ein einsamer Vogel – nicht die Lerche – weckte Tom mit einem sechstönigen Lied. Was für ein Vogel? Die Stimme klang fragend, fast schüchtern, aber auch neugierig und lebensfroh. Dieser Vogel, oder einer seiner Artgenossen, weckte Tom im Sommer häufig. Die Augen noch halb geschlossen, sah er dunkelgraue Schatten gegen graue Wände, wie eine Tuschezeichnung. Tom gefiel das: der massige Schatten der messingbeschlagenen Kommode, der dunklere Schatten seines Schreibtischs. Seufzend kuschelte er sich ins Kissen, um noch ein Weilchen zu dösen.
    Frank!
    Plötzlich war er hellwach; ihm fiel ein, daß der Junge im Haus war. 7:35 auf seiner Uhr. Er mußte Héloïse sagen, daß Frank hier schlief – oder besser, Billy Rollins. In Hausschuhen und Morgenmantel ging er nach unten. Ihm war es angenehmer, zuerst mit Madame Annette zu sprechen, und er würde ihr zuvorkommen, bevor sie ihm seinen 8-Uhr-Kaffee bringen konnte. Gäste machten Madame Annette nichts aus, sie fragte nie, wie lange sie bleiben würden, außer wenn es um die nächsten Mahlzeiten ging.
    Der Kessel summte, als Tom die Küche betrat. » Bonjour, Madame!« begrüßte er sie gut gelaunt.
    »Monsieur Tomme! Vous avez bien dormi?«
    »Bestens, danke. Heute morgen haben wir einen Gast, den jungen Amerikaner, den Sie gestern abend kennengelernt haben. Billy Rollins. Schläft im Gästezimmer, bleibt vielleicht ein paar Tage. Er arbeitet gern im Garten.«
    »Ach ja? So ein netter junger Mann!« sagte Madame Annette mit beifälligem Unterton. »Und wann möchte er frühstücken? – Ihr Kaffee, Monsieur Tomme. «
    Sein Kaffee war schon durchgelaufen; das Kesselwasser sollte für Héloïses Tee sein. Er sah zu, wie Madame Annette schwarzen Kaffee in eine weiße Tasse goß. »Machen Sie sich keine Umstände. Ich hab ihm gesagt, er soll sich ausschlafen. Vielleicht kommt er herunter. Ich kümmere mich darum.« Héloïses Tablett war fertig, Madame Annette nahm es auf. »Ich komme mit«, sagte Tom und folgte ihr mit seinem Kaffee nach oben.
    Er wartete, während sie klopfte und Héloïses Tablett hineintrug: Tee, Grapefruit, Toast. Dann trat er in die offene Tür.
    »Ach, Tomme, herein! Gestern abend war ich so müde…«
    »Aber wenigstens nicht zu spät zu Hause. Bei mir war es Mitternacht, glaub ich. Hör mal, Liebes, ich habe den jungen Amerikaner gebeten, über Nacht zu bleiben. Im Gästezimmer. Er wird uns im Garten aushelfen. Billy Rollins. Du hast ihn kennengelernt.«
    »Oh.« Héloïse nahm ein Stück Grapefruit mit dem Löffel. Nicht sonderlich überrascht, fragte sie

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