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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sprach über das Ackerland, durch das sie fuhren, über den Futtermais für das Vieh und die rundum subventionierte Ineffizienz französischer Landwirte.
    »Dennoch ist es schön, in Frankreich zu sein. Ich werde mir ein paar Kunstausstellungen ansehen, denn mein Treffen wird schon um – wird schon früh zu Ende sein.«
    Tom war es gleich, wann Lanz sich traf, doch hatte er überlegt, mit Frank ins Centre Beaubourg zu gehen, zu einer großen Ausstellung, die dort gerade lief, »Paris–Berlin«, und es wäre ein verdammt unangenehmer Zufall, dort Lanz zu treffen, denn der Mann könnte von Frank Piersons Verschwinden gehört haben. Eigenartig, daß bislang keine Zeitung auch nur angedeutet hatte, der Junge könnte entführt worden sein. Andererseits warteten Entführer in der Regel nicht lange damit, ihre Lösegeldforderungen bekanntzugeben. Offenbar glaubte die Familie, Frank sei weggelaufen und weiterhin auf eigene Faust unterwegs. Eine großartige Gelegenheit für Gauner, Lösegeld zu fordern für einen Jungen, den sie gar nicht in ihrer Gewalt hatten. Warum nicht? Bei dem Gedanken mußte Tom lächeln.
    »Was ist so lustig? Ich würde denken, für Sie als Amerikaner gibt es zur Zeit nicht viel zu lachen.« Leichthin gesagt, gut gemeint und doch typisch deutsch. Lanz hatte über den sinkenden Dollarkurs gesprochen, über die Politik Präsident Carters, die so unfähig sei, verglichen mit der weisen Wirtschaftsführung der Regierung Schmidt.
    »Tut mir leid«, sagte Tom, »aber ich mußte gerade daran denken, was Helmut Schmidt oder jemand anders einmal bemerkte: ›Amerikas Staatsfinanzen sind jetzt in den Händen reiner Amateure.‹«
    »Genau!«
    Sie hatten den Bahnhof von Moret erreicht, Lanz mußte aufhören. Händeschütteln: Danke, vielen Dank.
    »Schönen Tag noch.«
    »Ihnen auch!« Eric Lanz lächelte, packte die Reisetaschen entschlossen und ging.
    Tom fuhr zurück nach Villeperce, wo er mitten im Ort den gelben Lieferwagen des Briefträgers auf seiner üblichen Runde bemerkte. Die Post würde also pünktlich um halb zehn kommen. Dabei fiel ihm eine Kleinigkeit ein, die er hier leichter erledigen konnte als im Gewühl von Paris. Er hielt vor dem Postamt und ging hinein. Am Morgen war er mit seinem ersten Kaffee nach unten gegangen und hatte Reeves einen kurzen Brief geschrieben:
…Der Junge sollte 16, 17 sein, auf keinen Fall jünger, rund ein Meter achtzig, braunes, glattes Haar, irgendwo in den Staaten geboren. Schicken Sie mir den Paß so schnell wie möglich per Eilbrief. Und schreiben Sie, wieviel ich Ihnen schuldig bin. Mit Dank im voraus, in Eile – E.L. ist hier, scheint alles glattzugehen – Tom.
    Im Postamt von Villeperce zahlte er die neun Franc extra für das rote EXPRESS -Etikett, das die junge Frau hinter dem Gitterfenster für ihn auf den Brief klebte. Sie wollte den Umschlag schon weglegen, bemerkte dann aber, er sei ja nicht zugeklebt. Tom sagte, er wolle noch etwas hinzutun, und nahm ihn mit nach Hause.
    Frank saß angezogen im Wohnzimmer und hatte sein Frühstück fast beendet. Héloïse war offenbar noch oben.
    » Bonjour. Wie geht’s dir?« fragte Tom. »Gut geschlafen?«
    Frank war aufgestanden, eine ehrerbietige Geste, die Tom bei ihm leicht verunsicherte. Manchmal strahlte der Junge dabei über das ganze Gesicht, fast so als schaue er Teresa an, das Mädchen, das er liebte. » Oui, Sir. Sie haben Ihren Freund nach Moret gefahren, sagte mir Madame Annette.«
    »Ja, er ist weg. Wir fahren in etwa zwanzig Minuten, okay?« Tom warf einen Blick auf den braunen Rollkragenpulli des Jungen: Für ein Paßfoto würde das wohl reichen. Auf dem Bild in der France-Dimanche (seinem alten Paßfoto?) hatte er Hemd und Schlips getragen. Um so besser, wenn er nun weniger förmlich wirkte. Tom kam näher und sagte: »Für das Foto heute – laß dein Haar rechts gescheitelt, aber bring es oben und an den Seiten durcheinander, so gut das geht. Ich erinnere dich vorher noch mal daran. Hast du einen Kamm dabei?«
    Frank nickte. »Ja, Sir.«
    »Und die Creme?« Der Junge hatte den Leberfleck abgedeckt, das sah er, aber die Schminke mußte den ganzen Tag halten.
    »Hab ich dabei.« Frank faßte an seine rechte Gesäßtasche.
    Tom ging nach oben. Madame Annette zog gerade das Bett im Gästezimmer ab, wo Lanz übernachtet hatte, und ersetzte die Laken durch jene, in denen Frank geschlafen hatte. Ihre Sparsamkeit erinnerte Tom an den Jungen, der gestern darauf bestanden hatte, sie solle Toms Bettwäsche

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