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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Bedienstete und Kriegsversehrte sowieso zum halben Preis fuhren. Kein Wunder, daß die französische Bahn stets kurz vor dem Bankrott stand. Tom steckte sich eine Gauloise an und blickte zum Himmel hinauf.
    »Misster…«
    Vom blauen Himmel sah Tom hinab in das lächelnde Gesicht eines eher kleinen Mannes mit rosigen Lippen und schwarzem Schnurrbart. Er trug ein scheußliches kariertes Jackett und einen grell gestreiften Schlips, dazu eine Brille mit runden, schwarz gefaßten Gläsern. Tom wartete und schwieg. Der Mann wirkte gar nicht deutsch, doch man konnte nie wissen.
    »Tom?«
    »Tom, ja.«
    »Eric Lanz.« Er deutete eine Verbeugung an. »Vielen Dank, daß Sie mich abholen.« Eric trug zwei braune Kunststofftaschen, die so klein waren, daß sie im Flugzeug als Handgepäck durchgehen könnten. »Ich soll Sie von Reeves grüßen!« Tom wies auf seinen Wagen, und auf dem Weg dorthin wurde Lanz’ Lächeln breiter. Er sprach mit leichtem deutschem Akzent.
    »Hatten Sie eine angenehme Reise?«
    »Ja, und ich genieße es immer, in Frankreich zu sein!« sagte Eric Lanz, als betrete er den Strand an der Côte d’Azur oder das prächtige Museum einer französischen Stadt.
    Aus irgendeinem Grund war Tom sauer, doch was machte das schon? Er würde höflich zu dem Mann sein, ihm Abendessen, ein Bett und Frühstück anbieten – was konnte Lanz mehr verlangen? Der Deutsche wollte die Reisetaschen weder hinten im Kofferraum noch vor der Rückbank des Renault Kombi verstauen, sondern stellte sie zu seinen Füßen ab. Tom fuhr zügig los, Richtung Belle Ombre.
    »Aaah…« Lanz riß sich den Schnurrbart ab. »Schon besser. Und dann diese Groucho-Marx-Dinger!«
    Tom sah mit einem Seitenblick, daß er die Brille abnahm.
    »Dieser Reeves! Einfach zu viel, too much, wie die Engländer sagen. Zwei Pässe, und das für so was!« Eric Lanz wechselte sie nun, nahm einen Paß aus der Innentasche seines Jacketts, kramte seinen Kulturbeutel ganz unten aus einer der scheußlichen Reisetaschen hervor und tauschte den Paß gegen einen anderen aus, der in einer Innentasche am Boden des Beutels versteckt war.
    Auf dem Foto des Passes, der nun in seiner Jackentasche steckte, sah er sich vermutlich ähnlicher, dachte Tom. Wie hieß er richtig? War sein Haar wirklich schwarz? Was tat er, wenn er nicht Gelegenheitsaufträge für Reeves erledigte? Panzerschränke knacken? Juwelen stehlen an der Côte d’Azur? Tom fragte lieber nicht. »Sie leben in Hamburg?« fragte er auf deutsch, um höflich zu sein und die Sprache zu üben.
    »Nein!« Auch auf deutsch. »In West-Berlin. Mehr los, mehr Spaß!« fuhr Eric auf englisch fort.
    Und auch mehr Geld für ihn, vermutete Tom, wenn dieser Kerl ein Kurier für Drogen oder illegale Einwanderer war. Was er wohl jetzt dabeihatte? Nur seine Schuhe waren hochwertig. »Morgen treffen Sie jemanden?« fragte Tom, wieder auf deutsch.
    »Ja, in Paris. Morgen früh um acht sind Sie mich los, wenn es recht ist. Tut mir leid, aber Reeves konnte es nicht so arrangieren, daß der – Mann, den ich treffen soll, zum Flughafen kommt. Weil er noch nicht eingetroffen ist. Konnte nicht früher.«
    Sie erreichten Villeperce. Da Lanz ihm durchaus nicht verschlossen vorkam, wagte Tom die Frage: »Haben Sie etwas für ihn dabei? Was, wenn ich so unverschämt sein darf?«
    »Juwelen!« Eric Lanz unterdrückte ein Kichern. »Sehr schöne Stücke. Perlen – ich weiß, heutzutage will die keiner mehr, doch die hier sind echt. Und eine Halskette, Smaragde!«
    Nicht schlecht, dachte Tom und schwieg.
    »Sie mögen Smaragde?«
    »Offen gesagt, nein.« Gerade die mochte Tom nicht, womöglich weil Héloïse mit ihren blauen Augen Grün nicht gefiel. Außerdem könnte er sich nichts aus einer Frau machen, die Grün oder Smaragde gerne trug.
    »Ich wollte sie Ihnen zeigen. Es freut mich, hier zu sein.« Lanz klang erleichtert, als Tom durch das offene Tor von Belle Ombre fuhr. »Jetzt kann ich Ihr wunderbares Haus sehen, von dem mir Reeves erzählt hat.«
    »Würden Sie bitte einen Augenblick hier warten?«
    »Sie haben Gäste?« Lanz war sofort auf der Hut.
    »Nein.« Tom zog die Handbremse an. Er hatte im Fenster seines Zimmers Licht gesehen: der Junge vermutlich. »Bin gleich wieder da.« Tom lief die Stufen zur Haustür hinauf und ging ins Wohnzimmer.
    Héloïse lag bäuchlings auf dem gelben Sofa und las ein Buch, ihre bloßen Füße baumelten über der Armlehne. »Du bist allein?« fragte sie überrascht.
    »Nein, nein. Lanz wartet

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