Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Ihm wäre ein Stich von Dürer oder ein Rembrandt lieber. Vielleicht besserte sein Geschmack sich allmählich. Hätte ihn dieser Schmuck mit sechsundzwanzig noch beeindruckt, als er mit Dickie Greenleaf in Mongibello lebte? Schon möglich, doch dann nur wegen des Geldwerts der Stücke. Und das war schlimm genug. Nun aber interessierte selbst ihr Wert ihn nicht mehr. Er hatte sich gebessert. Tom seufzte und sagte: »Sehr hübsch. Und Charles de Gaulle? Hat am Flughafen keiner in Ihre Taschen geschaut?«
    Eric lachte verhalten. »Um mich kümmert sich keiner. Mit meinem verrückten Schnurrbart, den langweilenden – nein, langweiligen Klamotten, die alle billig und geschmacklos sind, beachtet mich niemand. Durch den Zoll kommen, sagt man, ist eine Frage der Technik, der Haltung. Ich habe die richtige Einstellung, nicht zu lässig, aber kein bißchen ängstlich. Darum nimmt Reeves mich gern – für so etwas, meine ich, Kurierdienste für ihn.«
    »Und wohin gehen diese Klunker?«
    Eric faltete das Purpurtuch wieder zusammen, die glänzende Seite nach innen. »Keine Ahnung. Ist nicht meine Sorge. Morgen treffe ich jemanden in Paris.«
    »Wo?«
    Nun lächelte Lanz: »In aller Öffentlichkeit. In Saint-Germain. Aber wo und wann genau, sollte ich Ihnen lieber nicht sagen.« Er lachte neckisch.
    Auch Tom lächelte, ihm war es gleich. Das hier war fast so dämlich wie die Sache mit dem italienischen Grafen Bertolozzi. Der Graf hatte in Belle Ombre übernachtet – mit einem Mikrofilm in seiner Zahnpastatube, von dem er nichts ahnte. Tom wußte noch, wie er auf Reeves Bitte die Tube hatte stehlen müssen, und zwar aus dem Bad, das Lanz jetzt benutzte. »Haben Sie einen Wecker, Eric, oder soll ich Madame Annette bitten, Sie –«
    »Oh, danke, einen Wecker habe ich. Ich denke, wir sollten kurz nach acht aufbrechen, ja? Ein Taxi würde ich ungern nehmen, doch wenn das zu früh für Sie ist…?«
    »Kein Problem«, sagte Tom liebenswürdig. »Bei der Uhrzeit richte ich mich ganz nach Ihnen. Schlafen Sie gut.« Tom ging hinaus. Lanz würde gewiß finden, er habe seine Juwelen nicht gebührend bewundert.
    Er merkte, daß er seinen Pyjama vergessen hatte. Und er schlief nicht gerne nackt – dafür war später in der Nacht noch Zeit, fand Tom, wenn man wollte. Zögernd klopfte er sachte mit den Fingerspitzen an die Tür seines Zimmers. Immer noch Licht unter der Tür. »Tom«, flüsterte er an der Türritze, als er den leichten Schritt des Jungen hörte. Wahrscheinlich war er barfuß.
    Frank schloß auf und lächelte breit.
    Tom legte den Finger auf die Lippen, trat ein, schloß hinter sich wieder ab und flüsterte: » Pardon, mein Pyjama.« Er holte ihn aus dem Bad, dazu seine Hausschuhe.
    »Schläft er dort? Was ist er für einer?« fragte der Junge, auf den Raum nebenan deutend.
    »Egal. Morgen früh ist er weg, kurz nach acht. Du bleibst hier im Zimmer, bis ich aus Moret zurück bin. In Ordnung, Frank?« Tom sah, daß das Muttermal auf der rechten Wange des Jungen wieder hervortrat. Er mußte gebadet oder sich gewaschen haben.
    »Ja, Sir.«
    »Gute Nacht.« Tom zögerte, dann gab er dem Jungen einen Klaps auf den Arm. »Bin froh, daß du heil zurück bist.«
    »Gute Nacht, Sir.«
    »Schließ ab!« flüsterte Tom, schloß die Tür auf und trat hinaus, wo er wartete, bis der Riegel des Schlosses einschnappte. Unter der Tür des Deutschen sah er Licht, aus dem Bad hörte er leise Wasser einlaufen und eine Melodie, die der Mann summte. Tom erkannte sie: Frag nicht, warum ich weine, eine süße, kleine, sentimentale deutsche Schnulze. Er krümmte sich vor stummem Lachen.
    An Héloïses Tür blieb er stehen. Auf einmal fragte er sich, ob und wann Johnny Pierson mit einem Privatdetektiv in Frankreich auftauchen würde, um nach seinem Bruder zu suchen. Das war ein lästiges kleines Problem: Wäre es nicht möglich, daß morgen, wenn er mit dem Jungen irgendwo um die amerikanische Botschaft unterwegs sein wollte (das Viertel war ideal für Paßfotos), Johnny gleichzeitig in der Botschaft nach dem Verbleib seines Bruders fragte? Aber warum sich im voraus den Kopf zerbrechen, sagte sich Tom. Und wenn es doch dazu kam? Warum sollte er so eifrig über Frank wachen, nur weil der sich verstecken wollte? Wurde er allmählich wie Minot mit seinen Räuberpistolen? Tom klopfte leise an Héloïses Tür.
    »Herein«, sagte sie.
    Am nächsten Morgen fuhr Tom Eric Lanz, immer noch ohne Schnurrbart, zum 9:11-Zug nach Moret. Lanz war bester Laune,

Weitere Kostenlose Bücher