Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
verstecken mußtest? Vor einer Woche etwa?«
»Ja… Klar.«
»Das ist seine Wohnung. Komm, noch einen Schluck Kaffee. Hast du Kopfschmerzen?«
»Nein – sind wir in Berlin?«
»Ja. Ein Mietshaus, zweiter Stock. Ich denke, wir sollten Berlin heute noch verlassen, wenn du dich stark genug fühlst. Vielleicht am Nachmittag. Zurück nach Paris.« Tom brachte ihm einen Teller mit Brot, Butter und Marmelade. »Was haben die dir dort gegeben? Schlaftabletten? Spritzen?«
»Tabletten. In Cola, ich mußte das trinken. Im Auto haben sie mir was gespritzt. In den Oberschenkel.« Frank sprach langsam.
Im Grunewald. Das klang schon eher nach Profis. Tom freute sich, daß der Junge nun einen Bissen Toast nehmen konnte. »Hast du zu essen bekommen?«
Frank war zu schwach für ein Achselzucken. »Ein paarmal hab ich mich übergeben. Und sie – ich d-durfte nicht oft genug aufs Klo. Habe mir in die Hosen gemacht, glaub ich… ekelhaft! Meine Sachen…« Der Junge blickte düster um sich, als wären die Unterhosen irgendwo zu sehen. »Das war so –«
»Ist wirklich nicht wichtig, Frank.« Eric kam zurück, und Tom stellte ihn vor: »Eric, das ist Frank. Jetzt ist er wacher.«
Das Laken bedeckte den Jungen bis zur Taille, dennoch zog er es höher. Er bekam die Augen noch immer kaum auf. »Guten Morgen, Sir.«
»Freut mich, dich kennenzulernen«, erwiderte Eric. »Geht es dir besser?«
»Ja, danke.« Frank musterte sichtlich verwundert die Roßhaarkante des Sofas, die das Laken nicht bedeckte. »Ihre Wohnung, hat Tom mir gesagt. Danke.«
Tom ging ins Schlafzimmer, nahm Franks braunen Koffer und holte den Pyjama des Jungen hervor. Drüben warf er ihn aufs Sofabett und sagte: »Damit du was zum Anziehen hast. Dein Koffer ist hier, Frank. Es fehlt nichts.« Und zu Eric: »Ich möchte gern mit ihm an die frische Luft, aber ich glaube, ein Spaziergang wäre keine gute Idee. Zunächst müssen wir wirklich eine der Banken anrufen. Die ADCA – oder die Diskonto, die ist größer, nicht?«
»Banken?« fragte Frank, der unter der Decke seine Pyjamahose anzog. »Lösegeld?« Doch er klang noch immer verschlafen, als gehe ihn das alles nichts an.
»Dein Lösegeld«, sagte Tom. »Was glaubst du, Frank, wieviel bist du wert? Rate mal.« Er wollte den Jungen wach bekommen, indem er mit ihm redete. In seiner Brieftasche suchte er nach den drei Quittungen, auf denen die Telefonnummern der Banken stehen mußten.
»Das Lösegeld – wer hat das?« fragte der Junge.
»Ich. Deine Familie bekommt es wieder. Davon später.«
»Ich weiß, die hatten etwas ausgemacht. Ein Treffen.« Der Junge schlüpfte in die Pyjamajacke. »Einer hat am Telefon Englisch gesprochen. Dann sind sie weggegangen – einmal nur. Alle bis auf einen.« Er sprach immer noch langsam, schien sich seiner Worte nun aber sicher.
Eric nahm sich eine Zigarette mit dunklem Tabak aus der Silberschale auf dem Couchtisch.
»Wissen Sie«, fuhr Frank fort, dessen Blick wieder verschwamm, »ich war dort immer in der Küche – aber… Ja, ich glaube, das stimmt.«
Tom schenkte ihm Kaffee nach. »Trink das.«
Eric hatte zum Telefon gegriffen und fragte gerade, ob er den Herrn Direktor sprechen könne. Tom hörte, wie er seine Adresse nannte und sagte, es gehe um das Geld, das Thomas Ripley gestern abgeholt habe. Er erwähnte auch die anderen beiden Banken. Tom war erleichtert; Eric machte seine Sache gut.
»Ein Geldbote wird noch vor Mittag vorbeikommen«, sagte er zu Tom. »Die haben die Schweizer Kontonummer, sie werden es per Telex zurücküberweisen.«
»Ausgezeichnet. Vielen Dank, Eric.« Tom sah zu, wie der Junge aus dem Bett kroch.
Frank bemerkte den aufgeklappten Koffer auf dem Boden mit den dicken braunen Umschlägen darin. »Ist es das?«
»Ja.« Tom nahm ein paar Sachen, denn er wollte ins Bad, sich anziehen. Zuvor warf er einen Blick über die Schulter: Frank schlich um den Koffer wie um eine giftige Schlange. Unter der Dusche fiel ihm ein, daß er versprochen hatte, Thurlow gegen zwölf anzurufen. Vielleicht würde der Junge auch gern mit seinem Bruder sprechen.
Als Tom wieder ins Wohnzimmer kam, sagte er Frank, er müsse Paris anrufen – in der Nacht habe er schon mit dem Privatdetektiv gesprochen, Thurlow wisse, daß Frank in Sicherheit sei. »Möchtest du nicht mit Johnny sprechen?«
»Na gut, mit ihm schon.« Frank lief im Zimmer herum, immer noch barfuß. Das tat ihm gut, dachte Tom.
Er wählte die Nummer des Lutetia und ließ sich verbinden.
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