Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
herkommen, aber das wird sie wohl nicht tun. Jetzt sicher nicht mehr, da Frank in Sicherheit ist. Außerdem… Es gibt da einen anderen, also kommt sie nicht her, das weiß ich. Sie hat mir nichts gesagt, aber ich kenne den Typ zufällig, weil ich die beiden einander vorgestellt habe. Und er hat’s mir erzählt, vor meinem Abflug aus Amerika.«
Jetzt verstand Tom. »Und das haben Sie Frank gesagt?«
»Ich dachte, je eher er es erfährt, desto besser. Macht ihm ganz schön zu schaffen, ich weiß. Wer der Kerl ist, hab ich nicht gesagt, nur, daß ich wüßte, Teresa hätte einen andern.«
Diese Worte markierten für Tom den himmelweiten Unterschied zwischen den beiden Brüdern. Für Johnny hieß es offenbar, neues Spiel, neues Glück. Tom war nicht einmal danach zu sagen: Schade, daß Sie das gerade jetzt ausplappern mußten. »Tja, Johnny, ich muß Schluß machen.« Ganz schwach konnte Tom den Detektiv vernehmen, der noch einmal mit ihm sprechen wollte, jedenfalls hörte es sich so an. »Bye-bye«, sagte Tom und legte auf. »Idioten, alle beide!« rief er.
Doch niemand hörte ihn. Der Junge lag auf dem Sofa und schlief wieder fest, Eric war irgendwo in der Wohnung.
Jeden Augenblick konnte der Bankbote eintreffen.
Als Eric ins Wohnzimmer kam, sagte Tom: »Wie wär’s mit einem Essen im Kempinski? Haben Sie Zeit, Eric?« Tom wollte so gern sehen, wie der Junge ein Steak oder ein großes Wiener Schnitzel vertilgte und wieder Farbe bekam.
»Ja, hab ich.« Er war jetzt angezogen.
Es klingelte. Der Bote von der Bank.
Eric drückte den Türknopf in der Küche.
Tom rüttelte den Jungen an der Schulter: »Frank, alter Junge, aufstehen! Nimm meinen Morgenmantel.« Ein schneller Griff in seinen Koffer. »Geh ins Schlafzimmer. Eric und ich müssen hier kurz mit jemandem reden.«
Frank gehorchte. Tom breitete die Decke über die Laken, damit es ein bißchen ordentlicher aussah.
Der Geldbote, ein kleiner, stämmiger Mann im Straßenanzug, war in Begleitung eines größeren uniformierten Wachmanns. Er wies sich aus und sagte, unten warte ein Wagen mit Fahrer, doch er sei nicht in Eile. Der Bote trug zwei große Aktenkoffer. Tom hatte keine Lust, die Papiere des Mannes zu prüfen, und überließ das Eric. Beim Geldzählen sah er aber einen Moment zu: Einen Umschlag hatte die Bank versiegelt; das Siegel war intakt. Ebenso die Banderolen der D-Mark-Bündel in den anderen Umschlägen; allerdings wäre es möglich gewesen, einen Tausender aus einem oder mehreren der Bündel herauszuziehen. Eric sah beim Zählen zu.
»Kann ich Ihnen das überlassen, Eric?« fragte Tom.
»Aber sicher, Tom!« Das auf deutsch. »Sie müssen nur irgendwo unterschreiben, ja?« Eric und der Bote standen am Sideboard vor den säuberlich getrennten Umschlägen mit den einzeln gestapelten D-Mark-Bündeln.
»Bin gleich wieder da.« Tom ging, um mit Frank zu sprechen.
Der Junge wartete barfuß in Erics Schlafzimmer, ein feuchtes Handtuch gegen die Stirn gepreßt. »Mir ist gerade kurz schwach geworden. Komisch…«
»Wir gehen bald essen. Eine ordentliche Mahlzeit wird uns aufmuntern. In Ordnung, Frank? Willst du duschen? Kühl, aber nicht kalt?«
»Meinetwegen.«
Tom ging ins Bad und stellte die Dusche richtig ein. »Nicht ausrutschen«, sagte er.
»Was tun die da drinnen?«
»Geld zählen. Ich bringe dir etwas zum Anziehen.« Tom kehrte ins Wohnzimmer zurück und fand in Franks Koffer eine blaue Baumwollhose und einen Rollkragenpulli, aber keine Unterhosen, also nahm er eine seiner eigenen. Er klopfte an die angelehnte Badezimmertür.
Der Junge trocknete sich gerade mit einem großen Handtuch ab.
»Wie sieht’s aus? Willst du zurück nach Paris? Heute abend noch?«
»Nein.«
Tom bemerkte die glitzernden Tränen in den Augen des Jungen und seinen finsteren Blick. Er wirkte erwachsen und zu allem entschlossen. »Ich weiß, was Johnny dir erzählt hat – über Teresa.«
»Aber das ist nicht alles !« Frank warf das Handtuch neben die Badewanne, hob es sofort wieder auf, hängte es ordentlich über eine Stange, nahm die Unterhose, die Tom ihm hinhielt, und kehrte ihm den Rücken zu, während er sie anzog. »Ich will jetzt noch nicht zurück. Ich will einfach nicht!« Über die Schulter sah er Tom an, seine Augen funkelten vor Wut.
Tom verstand: Das wären zwei Niederlagen – er hätte Teresa verloren und sich wieder einfangen lassen. Möglich, daß der Junge nach dem Essen ruhiger werden, die Dinge anders sehen würde. Allerdings war
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