Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
Thurlow war am Apparat, und Tom sagte: »Ja, der Junge steht neben mir. Wollen Sie ihn sprechen?«
Stirnrunzeln und Kopfschütteln bei Frank, aber Tom drückte ihm den Hörer in die Hand.
»Gib ihm ein Lebenszeichen«, flüsterte er lächelnd. »Und auf keinen Fall Eric erwähnen.«
»Hallo?… Ja, mir geht’s gut… Klar, in Berlin… Tom. Tom hat mich gestern nacht da rausgeholt… Weiß ich nicht genau… Ja, das ist hier.«
Eric zeigte auf die kleine Ohrmuschel, doch Tom wollte nicht mithören.
»Bestimmt nicht«, sagte Frank weiter. »Warum sollte Tom was davon wollen? Es wird –« Dann hörte er längere Zeit zu. »Erwarten Sie etwa, daß ich so was am Telefon bespreche?« versetzte er gereizt. »Das weiß ich nicht. Ich weiß es einfach nicht… Okay, gut.« Dann entspannte sich seine Miene, und er fuhr fort: »Hi, Johnny… Klar bin ich in Ordnung, hab ich doch gerade gesagt… Ach, keine Ahnung, bin eben erst aufgewacht. Aber mach dir keine Sorgen mehr. Ist nichts passiert, nicht mal etwas gebrochen oder so!« Jetzt redete Johnny lange auf ihn ein. Frank wand sich: »Okay, okay – aber was meinst du damit?« Er runzelte die Stirn. »Hat es nicht eilig?!« wiederholte er spöttisch. »Was du wirklich meinst, was du eigentlich sagen willst: Sie kommt nicht, und ich – ich bin ihr egal.«
Tom hörte vom Pariser Ende der Leitung Johnnys leises, ungezwungenes Lachen.
»Na, wenigstens hat sie angerufen. « Der Junge war blaß geworden. »Ja, ja, schon gut, verstehe«, sagte er ungeduldig.
Tom konnte von dort, wo er stand, Thurlows Stimme hören, der wieder übernahm, und griff zu der kleinen Ohrmuschel.
»…wenn du hierher kommst. Hält dich etwas in Berlin? – Frank? Bist du noch da?«
»Warum sollte ich nach Paris zurückkehren?« fragte der Junge.
»Weil deine Mutter will, daß du nach Hause kommst. Weil wir wollen, daß du in Sicherheit bist.«
»Ich bin hier in Sicherheit.«
»Redet Tom Ripley dir zu, dortzubleiben?«
»Keiner redet mir hier zu.« Frank betonte jedes einzelne Wort.
»Wenn er da ist, würde ich gern mit ihm sprechen, Frank.«
Der Junge reichte Tom den Hörer mit finsterer Miene. »Das Arsch –« Er brach mitten im Wort ab. Auf einmal war er zu einem ganz normalen amerikanischen Jungen geworden, der wütend wurde.
»Tom Ripley«, meldete sich Tom. Frank ging in den Flur, wohl auf der Suche nach dem Bad, und fand es zu seiner Rechten.
»Mr. Ripley, Sie werden verstehen, daß wir den Jungen zurück nach Amerika bringen wollen, wo er sicher ist. Dazu bin ich hier. Können Sie uns sagen… Ich bin Ihnen wirklich dankbar für das, was Sie getan haben, aber ich muß seiner Mutter Tatsachen liefern – vor allem, wann der Junge nach Hause kommt. Oder soll ich nach Berlin fliegen und ihn abholen?«
»Nein. Ich werde das mit Frank besprechen. Er wurde ja tagelang gefangengehalten, bis vor wenigen Stunden, und zwar unter unangenehmen Bedingungen. Er hat eine Menge Tranquilizer bekommen.«
»Aber er klang okay.«
»Er ist nicht verletzt.«
»Zu dem deutschen Geld: Frank sagte –«
»Mr. Thurlow, das Geld wird noch heute zurück auf die Bank, oder besser, die Banken, gebracht.« Tom mußte kurz lachen. »Das richtige Thema, falls Ihr Telefon angezapft wird.«
»Warum sollte es?«
»Oh, wegen Ihres Berufs«, sagte Tom, als ginge der Mann einem bizarren Gewerbe nach oder wäre gar ein Callboy.
»Mrs. Pierson freut sich zu hören, daß die D-Mark in Sicherheit sind. Ich aber kann nicht bloß hier in Paris herumsitzen, bis Sie oder Frank entschieden haben, wann der Junge zurückkommt. Das werden Sie wohl verstehen, Mr. Ripley.«
»Nun, es gibt Schlimmeres als Paris«, entgegnete Tom verbindlich. »Könnte ich mit Johnny sprechen?«
»Ja. Johnny?«
Der junge Mann meldete sich. »Wir sind so froh, daß Frank frei ist! Kann gar nicht sagen, wie froh!« Er klang freundlich und offen. Der gleiche Akzent wie bei Frank, doch eine tiefere Stimme. »Hat die Polizei die Bande erwischt – oder was immer die sind?«
»Nein, die Polizei war außen vor.« Tom hörte Thurlow irgendwas sagen, anscheinend versuchte er, Johnny vom Thema Polizei abzubringen.
»Sie meinen, Sie haben Frank ganz allein da rausgeholt?«
»Nein. Wie heißt es? With a little help from my friends. «
»Meine Mutter ist überglücklich! Sie war, äh…«
Mißtrauisch, was ihn anging. Tom wußte das. »Johnny, Sie sagten etwas zu Frank – jemand hätte angerufen. Aus Amerika?«
»Teresa. Sie wollte
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