Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
bis sie vor rund einem Jahr Roissy nördlich von Paris eröffnet und den gesamten Flugverkehr dorthin verlegt hatten, selbst die Flüge nach London.
»Héloïse, ich danke Ihnen, daß Sie mich so lange bei sich aufgenommen haben«, sagte Frank auf französisch.
»War mir ein Vergnügen, Billy! Außerdem hast du uns ja geholfen, im Haus und im Garten. Viel Glück!« Sie streckte die Hand durch das offene Wagenfenster, und als der Junge sich zu ihr hinabbeugte, küßte sie ihn zu Toms Überraschung auf beide Wangen.
Frank grinste verlegen.
Héloïse fuhr los, und die beiden gingen mit dem Gepäck in die Abflughalle. Ihr herzlicher Abschied erinnerte Tom daran, daß Héloïse ihn nie gefragt hatte, was er dem Jungen für die Arbeit zahlte: nichts. Frank hätte kein Geld genommen, da war er sicher. Am Morgen hatte Tom ihm fünftausend Franc gegeben (mehr durfte man aus Frankreich nicht ausführen) und selber nicht mehr mitgenommen, auch wenn ihn die Franzosen beim Abflug noch nie durchsucht hatten. Sollte ihnen in Berlin das Geld ausgehen, was unwahrscheinlich war, konnte er sich von seiner Zürcher Bank D-Mark anweisen lassen.
Tom sagte Frank, er solle seinen Flugschein am Schalter der Air France abholen und bezahlen.
»Benjamin Andrews, Flug sieben-acht-neun«, wiederholte Tom, »und wir sitzen getrennt. Sieh mich in der Maschine nicht an. Vielleicht treffen wir uns kurz in Düsseldorf, sonst in Berlin.« Er wollte schon zur Gepäckaufgabe gehen, blieb dann aber noch, weil er sicher sein wollte, daß Frank sein Ticket ohne Schwierigkeiten bekam. Ein paar Leute standen vor dem Jungen, dann war er an der Reihe, und Tom sah, das alles in Ordnung war – die junge Frau schrieb etwas, und Frank zahlte.
Tom gab seinen Koffer auf und nahm eine der Rolltreppen, die ihn sanft zu Flugsteig Nummer sechs emportrug. Diese Flugsteige, die in England und überall sonst auf der Welt einfach gates hießen, nannte man hier in Roissy satellites – eine sinnlose Bezeichnung, so als kreisten sie losgelöst um das Flughafengebäude. Tom zündete sich in der letzten Halle, wo noch geraucht werden durfte, eine Zigarette an und überflog seine Mitreisenden: fast alles Männer, einer steckte schon hinter der Frankfurter Allgemeinen. Tom ging als einer der ersten an Bord. Er sah sich nicht einmal um, ob Frank den Warteraum erreicht hatte, nahm im Raucherbereich Platz, die Augen halb geschlossen, und musterte die anderen Fluggäste, die sich mit ihren Aktenkoffern durch den Gang mühten. Den Jungen sah er nicht.
In Düsseldorf kam die Durchsage, die Passagiere könnten ihr Handgepäck an Bord lassen, müßten jedoch alle aussteigen. Wie eine Herde Schafe wurden sie einem unsichtbaren Ziel zugetrieben, aber Tom war hier schon einmal gewesen und wußte, daß ihnen nicht mehr bevorstand als das Prüfen und Stempeln der Pässe.
Dann wurden sie in einen kleinen Wartebereich gelotst, und er sah, wie Frank eine Marke für den Brief an Teresa zu kaufen versuchte. Tom hatte vergessen, dem Jungen deutsches Geld zu geben – Scheine und Münzen von früheren Reisen, die er eingesteckt hatte. Aber die deutsche Frau lächelte; anscheinend akzeptierte sie die Franc des Jungen, und er gab ihr den Brief. Tom ging an Bord der Maschine nach Berlin.
»Berlin-Tegel wird dir gefallen«, hatte er zu Frank gesagt. Tom mochte den Flughafen wegen seiner menschlichen Maße: keine überflüssigen Extras, keine Rolltreppen, keine drei Ebenen und kein gleißender Chrom, nur eine großenteils gelb gehaltene Empfangshalle mit einer runden Theke in der Mitte, halb Bar, halb Café, und zwei Toiletten, aber in Sichtweite, nicht kilometerweit weg. Tom wartete in der Nähe des runden Erfrischungsstands, den Koffer neben sich, und nickte dem Jungen zu, als er ihn kommen sah; der aber folgte seinen Anweisungen so getreu, daß er nicht aufblickte und Tom ihn abfangen mußte.
»Sieh an, du hier!«
»Guten Tag, Sir!« Der Junge lächelte.
Die rund vierzig Passagiere nach Berlin waren inzwischen auf knapp ein Dutzend zusammengeschmolzen, auch das ein angenehmer Anblick.
»Ich besorge uns ein Hotelzimmer«, sagte Tom. »Bleib du beim Gepäck.« Er ging die paar Meter zu einer Telefonzelle, suchte aus seinem Notizbuch für Geschäftsadressen die Nummer des Hotels Franke heraus und rief dort an. In diesem Hotel mittlerer Preislage hatte er sich vor Jahren mit einem Bekannten getroffen; die Adresse hatte er aufgeschrieben, weil er sie einmal brauchen könnte. Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher