Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
könnte? Womöglich würden die Entführer einen eigenen Mann dafür nehmen. Wen? Könnten sie nicht darauf bestehen, er solle das Geld eigenhändig übergeben? Durchaus möglich. Falls es ihnen gelänge, ihn zu entführen, könnten sie noch mehr Geld erpressen. Tom stellte sich vor, wie Héloïse die Summe für ihn zusammenkratzte – wieviel, eine Viertelmillion? – und ihren Vater um Geld bat. Großer Gott, nur das nicht! Tom mußte lachen, den Kopf in das Kissen gepreßt. Ob Jacques Plisson Geld für seinen Schwiegersohn ausspucken würde? Wohl kaum. Eine Viertelmillion dürfte Héloïse und ihn alles kosten, was sie angelegt hatten – vielleicht müßten sie sogar Belle Ombre verkaufen. Nicht auszudenken!
    Vielleicht aber würde nichts von all dem geschehen, das er sich gerade ausmalte.
    Tom erwachte aus einem Angsttraum, in dem er versucht hatte, eine unglaublich steile Straße hinaufzufahren, fast senkrecht und steiler als alle Straßen San Franciscos. Beinahe wäre der Wagen kurz vor der Hügelkuppe hintenübergekippt. Seine Stirn und Wangen waren schweißnaß, aber die Zeit stimmte genau: eine Minute vor drei.
    Er schlug Erics Adreßbuch auf, wählte die Nummer vom Hôtel Lutetia (die Pariser Vorwahl hatte Eric ebenfalls notiert) und ließ sich mit Monsieur Ralph Thurlow verbinden.
    »Hallo. – Ja, Mr. Ripley, hier Thurlow.«
    »Was gibt’s Neues? Haben Sie mit dem Jungen gesprochen?«
    »Ja, vor etwa einer Stunde. Er sagte, er wäre unverletzt. Hörte sich ganz schläfrig an.« Auch Thurlow klang müde.
    »Und was wurde vereinbart?«
    »Sie haben noch nicht entschieden, wo Sie –«
    Tom wartete. Vermutlich zögerte der Mann, über Geld zu sprechen; außerdem hatte er im Lutetia womöglich einen harten Tag gehabt. »Aber was sie wollen, haben sie Ihnen gesagt?«
    »Ja, das Geld kommt morgen aus Zürich – besser gesagt, heute. Mrs. Pierson läßt es telegraphisch drei Berliner Banken anweisen. Das wollten sie so, drei Banken. Und Mrs. Pierson findet es auch sicherer.«
    Vielleicht war die Summe so groß, daß sie so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen wollte, dachte Tom. »Kommen Sie nach Berlin?«
    »Ich habe noch nichts arrangiert.«
    »Wer holt das Geld von den Banken ab?«
    »Keine Ahnung. Die wollen erst sichergehen, daß es in Berlin eingetroffen ist. Und später sagen sie mir dann, wo ich es hinbringen soll.«
    »In Berlin, ja?«
    »Das nehme ich an. Ich weiß es nicht.«
    »Die Polizei haben Sie nicht eingeschaltet? Sie hört nicht mit, oder?«
    »Nein, nein«, sagte Thurlow. »So wollen sie es.«
    »Und das Lösegeld?«
    »Zwei Millionen. Dollar. In deutschen Mark.«
    »Glauben Sie, ein Geldbote der Bank wird so viel Geld übernehmen?« Bei der Vorstellung mußte Tom lächeln.
    »Sie… Wie es sich anhörte, sind sie sich noch nicht einig.« Thurlow fuhr mit seiner amerikanischen, eintönigen Stimme fort: »Über den Ort und die Zeit, meine ich. Nur einer von ihnen spricht mit mir. Ein Mann, deutscher Akzent.«
    »Soll ich morgen früh gegen neun noch einmal anrufen? Dann dürfte das Geld in Berlin eingetroffen sein, oder?«
    »Das nehme ich an.«
    »Mr. Thurlow, ich bin bereit, das Geld abzuholen und auszuliefern, wo immer das sein sollte. Könnte schneller gehen, und angesichts –« Er brach ab. »Erwähnen Sie denen gegenüber bitte meinen Namen nicht.«
    »Der Junge hat das schon getan: Sie wären sein Freund, und das hat er auch seiner Mutter gesagt.«
    »Na gut, aber falls die Kerle nach mir fragen, sagen Sie, daß Sie von mir nichts gehört hätten – ich wäre vielleicht abgereist, da ich in Frankreich wohne. Zurück nach Hause. Bitte sagen Sie das auch Mrs. Pierson, weil ich annehme, die stehen mit ihr in Kontakt.«
    »Vor allem mit mir. Sie haben den Jungen nur einmal mit ihr sprechen lassen.«
    »Sie könnten Mrs. Pierson bitten, ihre Schweizer Bank oder die Berliner Banken zu benachrichtigen, daß ich das Geld abhole – falls sie einverstanden ist.«
    »Ich werde sie fragen«, sagte Thurlow.
    »In ein paar Stunden rufe ich wieder an. Und es freut mich sehr, daß es dem Jungen gutgeht – oder daß er doch zur Zeit nichts Schlimmeres zu leiden hat als Übermüdung.«
    »Das stimmt. Hoffen wir das Beste!«
    Tom legte auf und ging wieder schlafen. Leise Geräusche aus der Küche weckten ihn: das Klappern eines Kessels, das Brummen der elektrischen Kaffeemühle. Beruhigende Geräusche. Eric machte Frühstück. Es war zwölf Minuten vor neun am Montag, dem 28. August. Tom

Weitere Kostenlose Bücher