Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
faschistisches, Gesicht zu zeigen. Die Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer, dem führenden Vertreter von Managern und Industriellen, der von manchen als alter Nazi verunglimpft wurde, hatte bedauerlicherweise eine Hexenjagd der Regierung gegen Intellektuelle, Künstler und Liberale ausgelöst – und die Rechten, die sich diese Gelegenheit nicht entgehen ließen, erklärten immer noch, die Polizei greife nicht hart genug durch. Nichts in Deutschland war einfach oder schwarz und weiß, dachte Tom. Waren Franks Entführer »Terroristen«, waren sie überhaupt irgendwie politisch motiviert? Würden sie die Verhandlungen in die Länge ziehen, an die Öffentlichkeit gehen? Hoffentlich nicht. Mehr Aufsehen konnte er sich einfach nicht leisten.
Lanz kam ins Wohnzimmer. Tom erzählte ihm von den Banken und dem Geld.
»Was für Summen!« Für einen Moment war er wie vor den Kopf geschlagen, dann blinzelte er ein paarmal: »Peter und ich könnten Ihnen am Vormittag helfen, Tom. Diese Banken liegen fast alle am Ku’damm. Wir können mein Auto nehmen oder Peters. Er hat eine Pistole im Wagen, ich aber nicht. Ist hier strikt verboten.«
»Ich dachte, Ihr Auto wäre, wie heißt das, ›kaputt‹?« sagte Tom.
»Ach, bis zum Vormittag ist es wieder in Ordnung. Peter wollte es gegen zehn hierherbringen, fällt mir gerade ein. Jetzt ist es fünf nach halb zehn. Wir sollten heute gemeinsam dahin gehen, verstehen Sie, nur zur Sicherheit. Finden Sie nicht?« fragte Eric behutsam und wollte schon zum Telefon gehen.
Tom nickte. »Wir sammeln das Geld ein und bringen es hierher – wenn Sie gestatten, Eric.«
»Ja… Ja, natürlich.« Ein rascher Blick ringsum, als fürchte er, in ein paar Stunden hier nur noch kahle Wände vorzufinden. »Ich rufe Peter an.«
Doch der hob nicht ab.
»Vielleicht ist er gerade weg, meinen Wagen abholen«, sagte Eric. »Dann müßte er bald klingeln, und ich werd ihn fragen, ob er mitkommen kann. Tom, wo wird das Geld übergeben?«
Tom lächelte. »Ich hoffe, bis Mittag weiß ich das. Übrigens, Eric, werde ich zum Abholen wohl einen Koffer brauchen, meinen Sie nicht? Könnte ich mir einen von Ihren borgen, statt Franks oder meinen auszupacken?«
Eric eilte sofort beflissen ins Schlafzimmer und kam mit einem braunen, mittelgroßen Schweinslederkoffer zurück, der weder zu neu noch zu teuer wirkte – die Größe könnte genau passen, wenn Tom auch keine Ahnung hatte, wieviel Raum fast viertausend Banknoten, jeweils Tausender, einnehmen würden.
»Danke, Eric. Wenn Peter nicht mitkommen kann, geht es auch per Taxi, denke ich. Zuerst muß ich diese Banken anrufen. Und zwar gleich.«
»Ich mache das, Tom. Die ADCA -Bank, richtig?«
Tom legte die Liste neben das Telefon und suchte aus dem Telefonbuch die Nummer der Bank heraus. Während Eric wählte, schrieb er ihm die Telefonnummern der anderen beiden Banken auf. Eric klang gelassen und aalglatt, als er sich mit dem »Herrn Direktor« verbinden ließ und sagte, er rufe wegen einer gewissen Summe an, die für einen Thomas Ripley hinterlegt sei – er wolle das Geld abholen. Das dauerte einige Minuten; Tom steckte inzwischen seinen Paß ein, um sich ausweisen zu können. Nicht bei allen Banken konnte Lanz den Direktor persönlich sprechen, doch alle drei bestätigten, das Geld sei auf diesen Namen hinterlegt. Eric kündigte an, Herr Ripley werde binnen der nächsten Stunde eintreffen.
Während des letzten Gesprächs klingelte es. Eric bedeutete Tom wortlos, zum Türöffner in der Küche zu gehen, Tom drückte den Sprechknopf und fragte: »Wer ist da?«
»Ich bin’s, Peter. Erics Wagen steht hier unten.«
»Einen Augenblick, Peter«, sagte Tom. »Eric kommt gleich.«
Er übergab an den anderen und verließ die Küche.
Tom hörte, wie Lanz fragte, ob Peter am Vormittag Zeit habe, um »ein paar sehr wichtige Sachen zu erledigen«. Dann kam er ins Wohnzimmer. »Peter hat Zeit, und mein Auto steht unten, sagt er. Ist er nicht fabelhaft?«
Tom nickte und steckte die Bankliste ein. »Ja.«
Eric schlüpfte in ein Jackett. »Gehen wir.«
Tom nahm den leeren Koffer, Eric schloß hinter sich zweimal ab, und sie gingen die Treppe hinunter.
Peter saß in seinem Wagen, der am Bordstein parkte;Erics Mercedes stand unweit vom Hauseingang. Eric öffnete Peters Beifahrertür und bedeutete Tom, hinten einzusteigen.
»Was jetzt kommt, soll niemand mithören«, erklärte er Peter. Dann fuhr er auf deutsch fort, Tom müsse jetzt drei Banken
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