Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
informiert nicht die Berliner Polizei, wenn Mrs. Pierson Lösegeld zahlen soll. In einem solchen Fall ist das nicht immer hilfreich.«
»Nein, nicht wenn sie den Jungen lebendig wiederhaben will«, sagte Eric.
Tom fragte sich, ob der amerikanische Detektiv nach Berlin kommen würde. Höchstwahrscheinlich würden die Entführer den Jungen in der Stadt freilassen, weil es zu schwierig wäre, ihn hinauszuschaffen. Und wo sollte das Geld hinterlegt werden? Reine Spekulation, dachte er.
»Worum sorgen Sie sich jetzt?« fragte Eric.
»Sorgen wäre zuviel gesagt.« Tom lächelte. »Ich dachte gerade, Mrs. Pierson könnte ihren Detektiv in Paris vor einem Amerikaner in Berlin warnen, der sie an der Nase herumführt oder mit den Kidnappern unter einer Decke steckt. Sehen Sie, ich habe ihr erzählt, ich hätte den Jungen in Paris gesehen. Leider weiß sie aber, daß ich aus Berlin angerufen habe. Vom Hotel Franke, die haben das Telefongespräch durchgestellt.«
»Tom, Sie machen sich zu viele Sorgen. Aber vielleicht sind Sie deshalb so erfolgreich.«
Erfolgreich: War er das?
Peter sagte etwas zu Eric, auf deutsch und so schnell, daß Tom es nicht mitbekam.
Eric lachte, schluckte den Bissen hinunter, den er im Mund hatte, und sagte zu Tom: »Peter haßt Kidnapper. Er meint, die täten alle nur so, als wären sie links – dieser ganze politische Scheiß –, dabei wollten sie nur Geld, wie alle anderen Gauner.«
»Ich glaube, heute abend würde ich gern im Hôtel Lutetia anrufen, ob sie dort mehr wissen«, sagte Tom. »Vielleicht haben die Entführer Mrs. Pierson angerufen. Kann mir kaum vorstellen, daß sie ihr ein Telegramm schicken.«
»Nein.« Eric schenkte sich und den beiden Wein nach.
»Inzwischen könnte der Detektiv in Paris erfahren haben, wo das Geld hinterlegt werden soll, wo sie den Jungen freilassen wollen und so weiter.«
»Würde er Ihnen das alles verraten?« Eric setzte sich wieder.
Abermals lächelte Tom. »Womöglich nicht. Dennoch könnte ich etwas herausfinden, glaube ich. Übrigens, Eric: Meine Telefonate zahle ich selber.« Er würde wohl noch weitere Gespräche führen müssen.
»Aber kein Gedanke! Sehr englisch, diese Vorstellung, Freunde und Gäste für deren Anrufe zahlen zu lassen. Nicht in meinem Haus – das ja Ihr Haus ist. Wie spät? Sollte nicht lieber ich im Lutetia anrufen?« Eric sah auf seine Armbanduhr und fuhr fort, bevor Tom antworten konnte. »Gerade zehn, wie in Paris. Lassen wir dem Detektiv Zeit, zu Ende zu dinieren, à la française – und auf Kosten der Piersons, ha, ha!«
Er stellte den Fernseher an, Peter kochte Kaffee. Kurz darauf kamen die Nachrichten. Eric mußte zwei Anrufe entgegennehmen, beim zweitenmal antwortete er in schauerlichem Italienisch. Dann hörten Peter und er einem Politiker zu, der minutenlang redete; sie kicherten die ganze Zeit und gaben ihre Kommentare ab. Tom war der Mann auf dem Bildschirm eher gleichgültig, er versuchte nicht einmal, seiner Rede zu folgen.
Gegen elf schlug Eric vor, im Lutetia anzurufen. Tom hatte es sich verkniffen, daran zu erinnern, damit Lanz ihn nicht erneut nervös nannte.
»Ich glaube, ich habe die Nummer hier.« Lanz sah in einem schwarzledernen Adreßbuch nach. »Ja, da ist sie…« Er begann zu wählen.
Tom stand neben ihm. »Eric, fragen Sie nach John Pierson, ja? Wie der Detektiv heißt, weiß ich nämlich nicht.«
»Kennen die nicht inzwischen Ihren Namen?« fragte Eric. »Würde der Junge ihn nicht –« Eric zeigte auf die kleine runde Muschel zum Mithören hinten am Apparat.
Tom nahm sie und hielt sie ans Ohr.
»Hallo. Könnte ich bitte mit John Pierson sprechen?« fragte Eric auf französisch und nickte Tom zufrieden zu, als die Telefonistin am anderen Ende ankündigte, er werde durchgestellt.
»Hallo?« Eine junge amerikanische Stimme, ähnlich der des Jungen.
»Guten Abend. Ich rufe an, weil ich fragen wollte, ob Sie Nachricht von Ihrem Bruder haben.«
»Wer sind Sie?« fragte Johnny. Sie hörten eine zweite, tiefere Stimme eines älteren Mannes.
»Hallo?« Das war der Mann.
»Ich rufe wegen Frank an. Gibt es Neues? Geht es ihm gut, haben Sie etwas gehört?«
»Darf ich fragen, wer Sie sind? Woher rufen Sie an?«
Tom nickte, als Eric ihn fragend ansah.
»Aus Berlin. Wie lautet die Botschaft an Mrs. Pierson?« fragte Eric beiläufig, beinah gelangweilt.
»Warum sollte ich das ausgerechnet Ihnen sagen, wenn Sie Ihren Namen nicht nennen?« erwiderte der Detektiv.
Peter hörte zu, gegen
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