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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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schwierig, wie Tom denken mochte, seien die Straßen gar nicht zu finden.
    Thurlow fuhr fort: »Sie sollen das – Geld in einem Karton oder Sack dorthin bringen, und zwar um vier Uhr. Morgen früh, verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte Tom.
    »Legen Sie ihn hinter den Schuppen, und verschwinden Sie. Ein Bote nur, sagten sie.«
    »Und was ist mit dem Jungen?«
    »Die rufen mich an, sobald sie das Geld haben. Können Sie nach vier durchrufen, wenn alles glatt gegangen ist?«
    »Ja, sicher. Natürlich.«
    »Viel Glück, Tom.«
    Tom legte auf.
    »Lübars!« Eric steckte die kleine Muschel zurück an ihren Platz. »Lübars, Peter, vier Uhr morgens! Das ist altes Bauernland, Tom. Oben im Norden, nahe der Mauer. Dort wohnen nicht viele. Lübars grenzt direkt an die Mauer. Hast du einen Stadtplan, Peter?«
    »Ja. Ich war da mal, glaub ich, vielleicht auch zweimal. Bin dort herumgefahren.« Er sprach deutsch. »Ich kann Tom heute nacht hinbringen. Dort oben braucht man ein Auto.«
    Tom war ihm dankbar. Er vertraute Peter, denn der Mann konnte fahren, hatte gute Nerven und eine Pistole im Wagen.
    Peter und Eric stellten das Mittagessen auf den Tisch, eine Flasche Wein dazu.
    »Heute nachmittag treffe ich jemanden in Kreuzberg«, sagte Lanz zu Tom. »Kommen Sie doch mit, das wechselt die Gedanken, wie die Franzosen sagen. Dauert höchstens eine Stunde. Später am Abend bin ich mit Max verabredet, da können Sie auch gern mitkommen.«
    »Max?« fragte Tom.
    »Max und Rollo, Freunde von mir«, sagte Eric mit vollem Mund.
    Peter mit seinem blassen Gesicht lächelte Tom zu und zog die Augenbrauen eine Winzigkeit hoch. Er wirkte ruhig und selbstsicher.
    Tom bekam nicht viel herunter; er hörte kaum zu, als die beiden anderen über die Anti-Hundekot-Kampagne witzelten, die gerade in Berlin lief, angeregt durch eine ähnliche Aktion in New York – Hundehalter sollten kleine Schaufeln und Papiertüten mit sich führen, und die Berliner Müllabfuhr hatte vor, demnächst »Hundetoiletten« aufzustellen, die groß genug für einen Schäferhund waren. Peter bemerkte, das könne die Hunde auf die Idee bringen, die Klosihrer Herrchen zu Hause zu benutzen, falls ihnen der Unterschied nicht auffallen sollte.

13
     
    Eric fuhr mit Tom in seinem Wagen nach Kreuzberg, einem Viertel, das nicht weit sei, sagte er, keine fünfzehn Autominuten. Peter war gegangen, hatte aber versprochen, gegen ein Uhr nachts zurückzukommen – Tom hatte ihm gesagt, er wäre froh, wenn sie früh nach Lübars aufbrechen könnten. Selbst Peter gab zu, daß es eine Stunde dauern könne, dorthin zu fahren und den Schuppen zu finden.
    Eric hielt in einer trostlosen Straße mit alten, rotbraunen, drei- oder vierstöckigen Mietshäusern, nahe einer Eckkneipe, deren Tür weit offenstand. Ein paar Kinder – das Wort »Rotzbengel« schoß Tom durch den Kopf – rannten herbei und bettelten sie um Pfennige an. Eric fischte Münzen aus der Hosentasche. Gäbe er ihnen nichts, sagte er, könnten sie es an seinem Mercedes auslassen – dabei schien der Junge nicht älter als acht, das Mädchen vielleicht zehn, verschmierter Lippenstift, Rouge auf den Wangen. Ihr braunroter, bodenlanger Umhang sah aus wie eine Gardine, zu einer Art Kleid zusammengesteckt. Tom vergaß schnell wieder, was er zuerst gedacht hatte, daß die Kleine nur zum Spaß Make-up und Garderobe der Mutter ausprobierte: Das hier war schlimmer, böser. Der dichte schwarze Schopf des Jungen war an manchen Stellen grob zurechtgestutzt, der Blick seiner dunklen Augen glasig oder vielleicht nur entrückt. Die vorgeschobene Unterlippe zeigte die tiefe Verachtung, die er für seine ganze Welt zu empfinden schien. Der Junge hatte das Geld eingesteckt, das Lanz dem Mädchen gegeben hatte.
    »Er ist Türke.« Eric sprach leise. Er schloß den Wagen ab und deutete auf den Eingang des Hauses, das sie suchten. »Wissen Sie, die können nicht lesen. Keiner versteht das. Sie sprechen fließend Türkisch und Deutsch und können kein Wort lesen!«
    »Und die Kleine? Sie sieht deutsch aus.« Das Mädchen war blond. Immer noch stand das seltsame, kindliche Paar neben Erics Auto und ließ sie nicht aus den Augen.
    »O ja, die ist deutsch. Eine Kindernutte. Er ist ihr Lude – oder will es werden.«
    Der Türsummer ertönte, sie traten ein und stiegen eine düstere Treppe hinauf in den dritten Stock. Die verdreckten Fenster im Flur ließen kaum Licht durch. Eric klopfte an eine Tür, dunkelbraun, die Farbe rissig wie von Tritten oder

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