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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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sie den Rest austrinkt.
    »Wir müssen Wasser suchen«, sagt sie dann.
    Fride stöhnt, aber sie steht auf und marschiert weiter. Nanna ist erleichtert. Sie bleibt ein Stück hinter Fride und tut so, als würde Fride ihr den Weg zeigen. Es ist nichts zu sehen oder zu hören. Nur die Straße, die sich durch die Landschaft zieht. Und verlassene Autos. Fride geht dazwischen und versucht, den gelben Streifen zu folgen.
    Nach und nach werden die Autos weniger und die Straße sieht aus, als wäre sie noch nie benutzt worden. Der Asphalt ist trocken und rissig und außer ihnen bewegt sich nichts unter dem strahlend blauen Himmel. Sie wandern stundenlang und nichts verändert sich. Die Straße führt einfach immer weiter und die Sonne brennt noch genauso heiß. Sie steht jetzt tiefer und strahlt ihnen direkt ins Gesicht. Nanna geht voraus. Hältden Blick fest auf die gelben Streifen in der Mitte der Straße gerichtet. Zählt sie. Einen nach dem anderen. Noch hundert Streifen. Nur noch hundert Streifen mehr. Sie fängt wieder an zu zählen, aber dann hört sie Schniefen und leise Schluchzer hinter sich. Fride läuft steif und schaut starr nach unten. Aber sie bleibt erst stehen, als sie mit Nanna zusammenstößt. Da sackt sie mitten auf der Straße zusammen und lässt den Tränen freien Lauf. Nanna setzt sich neben sie.
    »Es ist nicht mehr weit, Fride, aber wir müssen noch ein bisschen gehen. Nur noch ein bisschen, ja? Hier können wir nicht bleiben. Wir müssen einen Platz für die Nacht finden.«
    »Dauert es noch lange bis zur Brücke?«
    »Nein. Ich habe über den Bäumen schon die Spitzen der Pfeiler gesehen.«
    Sie gehen weiter. Die Landschaft wird offener und sie kommen an eine Tankstelle und ein paar große Lagerhallen, vor denen Maschinen stehen.
    »Ich kann nicht mehr«, sagt Fride.
    Nanna schaut sich ratlos um. Die Lagerhallen sehen alle gleich aus. Graue Wellblechschuppen mit eingeschlagenen Fenstern und Schrott davor. Eine schmale Zufahrt führt auf einen Parkplatz. Auf der langgestreckten Halle am Ende des Parkplatzes sind große Bilder lachender Menschen, die essen oder Ball spielen. Nanna liest, was auf den Plakaten steht.

13
    »Das ist ein Einkaufszentrum. Ich glaube, hier war ich schon mal«, sagt Nanna. »Wir haben hier Stopp gemacht, wenn wir im Sommer auf die Insel gefahren sind.«
    »Was ist ein Einkaufszentrum?«, fragt Fride gleichgültig.
    »Das ist ein Ort mit ganz vielen Geschäften. Vielleicht finden wir hier etwas zu essen. Und Wasser. Komm«, sagt Nanna und geht auf den Eingang zu. Der Boden ist übersät mit den Glasscherben der eingeschlagenen Türen.
    »Schau mal, da!«, sagt Fride plötzlich und zeigt zurück zur Straße.
    Hinter einem Bergrücken ragen die Brückenpfeiler über den Bäumen auf.
    »Dann sind wir da, bevor es dunkel wird«, sagt Nanna und holt die Taschenlampen aus dem Rucksack.
    Sie zögern kurz, bevor sie das dunkle Gebäude betreten. Zwischen den kaputten Glastüren stehen leere Einkaufswagen.
    »Bist du sicher, dass wir hier reingehen sollen?«, fragt Fride.
    »Ja. Wir müssen es versuchen.«
    Die Luft im Einkaufszentrum ist stickig. Es riecht nach Feuchtigkeit und Plastik. Nanna lässt den Lichtkegel durch das große Gebäude schweifen. Vor den Geschäften hängen aufgebogene Gitter. Im Licht der Taschenlampe sieht Nanna leereRegale und zerbrochene Spiegel. Sie hält einen Finger vor den Mund und schaut Fride an, die neben ihr stehen geblieben ist. Sie warten, bis es ganz still ist, bevor sie schweigend weitergehen. Ein Geschäft reiht sich an das andere.
    »Hier konnte man aber viel kaufen«, flüstert Fride.
    »Ja. Sie hatten alles Mögliche«, sagt Nanna und leuchtet um sich herum. In den Fenstern stehen Schaufensterpuppen, steif und reglos, mit weißen Gesichtern und leeren Augen, Perücken hängen schief auf ihren Köpfen. Jedes Mal, wenn das Licht eine von ihnen streift, fühlt Nanna sich beobachtet.
    »Gibt es hier auch ein Spielzeuggeschäft?«, fragt Fride.
    »Ja. Bestimmt«, sagt Nanna.
    »Können wir hingehen? Ich war noch nie in einem Spielzeuggeschäft.«
    »Jetzt nicht. Vielleicht auf dem Heimweg. Oder wir suchen eins, wenn wir in der Stadt sind.«
    Nanna geht zu einem durchsichtigen Plastikbehälter, der an der Wand hängt, und drückt auf einen Knopf. Ein dünner Wasserstrahl rinnt heraus.
    »Komm her. Trink«, sagt sie.
    Fride beugt sich vor und trinkt fast mit dem ganzen Gesicht.
    »Das schmeckt komisch«, sagt sie.
    Nanna probiert auch.
    »Es schmeckt

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